Süddeutsche Zeitung

Bildung:Spaniens Schüler im Hausaufgabenstreik

Lesezeit: 2 min

Von Julia Bosch

60-Stunden-Woche - da denkt man zunächst an Manager, Ärzte im Krankenhaus oder Anwälte. Doch auch spanische Schüler bringen es regelmäßig auf 60 Stunden Unterricht pro Woche. Hinzu kommt noch die Zeit für Hausaufgaben.

Immer länger müssten die Schüler nach Schulschluss noch an Matheaufgaben oder Aufsätzen sitzen, kritisieren die Eltern, ihre Kinder hätten kaum mehr Freizeit. Die spanische Elternorganisation Ceapa, die 12 000 Elternvereine an öffentlichen Schulen in Spanien vertritt, hat daher zu einem Hausaufgabenstreik aufgerufen. Die Schüler sollen den November über alle Hausaufgaben, die die Lehrer über das Wochenende aufgeben, verweigern. Sollte das nichts bringen, warnen die Eltern schon einmal vor einem unbefristeten Streik gegen alle Hausaufgaben im kommenden Jahr.

Laut einer OECD-Studie büffeln die russischen Schüler zu Hause am meisten

Bei einer Umfrage von Ceapa gab rund die Hälfte der 1748 befragten Eltern an, dass die Hausaufgaben ihrer Kinder das Familienleben in Mitleidenschaft zögen. Die Eltern hätten den Eindruck, dass "los deberes" immer mehr ausufern würden, klagt Verbandschef José Luis Pazos: Die Kinder in Spanien müssten oft mehr als zehn Stunden pro Woche zu Hause büffeln.

Belastbare Zahlen gibt es lediglich aus dem Jahr 2012. Damals errechnete die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), dass der durchschnittliche Aufwand für Hausaufgaben in OECD-Staaten bei 4,8 Stunden in der Woche liege. Für Deutschland lag der Wert damals bei 4,7 Stunden, für Spanien bei 6,5 Stunden. Die meiste Zeit für ihre Hausaufgaben benötigen laut der OECD-Studie Kinder in Russland mit knapp zehn Stunden.

Im europäischen Vergleich schneiden spanische Schulkinder eher schlecht ab

Besonders bitter für die Eltern in Spanien: Der Mehraufwand für die Hausaufgaben bedeutet nicht, dass die Schüler auch besser Rechnen, Schreiben oder Lesen. Die spanischen Schüler, die zudem überdurchschnittlich viel Schulunterricht haben, schneiden im Pisa-Test eher schlecht ab, die Finnen mit nur drei Stunden Hausaufgaben in der Woche dagegen besonders gut.

Der spanische Lehrerverband des Gewerkschaftsbundes CSIF bezeichnet den Hausaufgabenstreik als "Unsinn". Das Problem der Kinder in Spanien seien nicht die Hausaufgaben, sondern vielmehr deren Eltern, schimpft der CSIF-Präsident Mario Gutiérrez. Seine Meinung teilt der spanische Bildungsminister Íñigo Méndez de Vigo y Montojo, der den Streik für eine "sehr schlechte Idee" hält, die die gesamte Lehrerschaft in Verruf bringe. Die Lehrerin Fátima Javier aus dem andalusischen Ayamonte kritisierte die Elternorganisation Ceapa in einem offenen Brief und meinte, man dürfe zwar gerne streiken - aber nicht für weniger Hausaufgaben, sondern stattdessen für mehr Geld im Bildungssektor.

Die Elternorganisation Ceapa hingegen zeigt sich fest entschlossen: Der Verbandschef José Luis Pazos gab unumwunden zu, das Ziel der Kampagne sei die gänzliche Abschaffung der Hausaufgaben in Spanien.

Mit Material von dpa.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3240113
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.