Süddeutsche Zeitung

Zugspitze:Surfen auf 2656 Metern über dem Meer

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Könnte sein, dass in nächster Zeit noch mehr Besucher auf Deutschlands höchsten Berg strömen. Wegen der Aussicht? Nein, aber dort soll es nun schnelles Wlan geben.

Glosse von Maximilian Gerl

Garmisch, Grainau und die Zugspitze müssen sich auf einen Besucheransturm gefasst machen, wie sie ihn noch nie erlebt haben. Verstopfte Straßen, kilometerlange Staus; Menschenmassen, die im Minutentakt am Olympiastadion aus Bussen geleert werden; scheinbar endlose Schlangen an den Bergbahnen. Grölen, Schreien, Schubsen. Touristen? Schön wär's. Die Bayern kommen. Nicht der Aussicht willen - sondern wegen eines Satzes von Finanzminister Albert Füracker. Denn seit Neuestem gibt es staatlich gefördertes Wlan auf der Zugspitze, genauer: Bayern-Wlan am Schneefernerhaus. Surfen auf 2656 Meter über Null. Wer vorbeikommt, dem steht laut Füracker "so ein schneller Internetzugang ohne Beschränkungen zur Verfügung".

Schnelles Internet! Darauf warten hierzulande ja viele Menschen. Doch entweder kommt es einfach nicht oder ist dann nicht so flott, wie der Name einst versprach. Wenn also das schnelle Internet nicht zum Bürger kommt, muss der Bürger zum schnellen Internet kommen. Zum Schneefernerhaus. Bayern auf der Suche nach Empfang pilgern auf die Zugspitze, im Rucksack Smartphones, Tablets, Laptops. Firmen lassen Büro-Iglus hochziehen, coole Callcenter, um für Kunden aus dem Ausland endlich erreichbar zu sein. Ihnen folgten Marktschreier und Mützenhändler, über alle Gipfel ziehend, im Schlepptau hippe Männer mit Vollbärten und Baumwollanoraks. Um ihren Durst zu bedienen, wird die Umweltforschungsstation des Schneefernerhauses zur Craft-Brauerei umgewandelt. In einem daneben errichteten Gewächshaus wird Biokost aus garantiert lokalem Anbau gezüchtet. Immobilienhaie riechen den Boom und kaufen alle Schneewehen auf. Das Wlan-Wunder ist perfekt.

Leider findet auch die schönste Geschichte einmal ein Ende. Wer schon auf Volksfesten oder im Fußballstadion mit dem Handy hantierte, kennt das Problem: Wo zu viele Menschen eingeloggt sind, geht das System unweigerlich in die Knie. Kein Empfang für alle. Kein schnelles Internet mehr am Schneefernerhaus. Tausende enttäuschter Bayern packen ihre Smartphones wieder ein, Iglus schmelzen, Hipster fahren mit Tourenski ab. Diese Ruhe! Dieser Frieden! Endlich Platz für Touristen.

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Quelle:
SZ vom 27.11.2018
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