Süddeutsche Zeitung

Wohnen:22 Quadratmeter für 309 900 Euro

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Von Maximilian Gerl, München

Die gute Nachricht schickt der Direktor des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen (VDW Bayern) vorweg. Der Freistaat sei im Gründungsboom, sagt Hans Maier am Montag. Viele Initiativen setzten sich für bezahlbares Wohnen ein. Dann folgt die schlechte Nachricht. 70 000 Wohnungen wolle die Staatsregierung jährlich schaffen, knapp 61 000 seien es 2018 geworden. "Wenn das so weitergeht", sagt Maier, "wird die Frage sein, wie man diese Zahl erreichen will."

Wie Wohnen wieder bezahlbar wird: - das fragen sich hierzulande viele. Nach Angaben des VDW sind allein die Mieten seit 2008 um fast die Hälfte gestiegen. Die stärksten Zuwächse gab es in den vergangenen fünf Jahren in Augsburg (+ 29 Prozent), Fürth (+ 25 Prozent), Würzburg (+ 23 Prozent) sowie Ingolstadt und München (je + 20 Prozent). Ein Grund, wenn auch nicht der einzige: Baugrund ist vielerorts rar. "Das knappste Gut", sagt Maier.

Als einen Indikator für die Wohnungsnot wertet sein Verband etwas, das andere zum Feiern verleiten würde. Er wurde größer. 37 seiner 475 Mitglieder hat der VDW Bayern in den vergangenen Jahren aufgenommen, vor allem Genossenschaften. Die Gründer wollten das Ruder selbst in die Hand nehmen, sagt Maier. Auch im Bundesvergleich gebe es im Freistaat besonders viele Neugründungen, die meisten rund um Augsburg, München, Rosenheim. Der VDW vertritt nach eigenen Angaben die gemeinnützig orientierte Wohnungswirtschaft, Genossenschaften genauso wie kommunale Gesellschaften. Zusammen besitzen sie rund 448 000 Wohnungen. Insgesamt gibt es bayerweit rund 6,3 Millionen Wohnungen, vom Zimmerchen bis zum Einfamilienhaus.

Zumindest einige Bemühungen der Vergangenheit scheinen zu fruchten. So investierten die VDW-Mitglieder zuletzt 1,9 Milliarden Euro und damit 7,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Überhaupt zeigt die Investitionskurve seit 2015 steiler aufwärts, neuer Fördermittel wegen, die damals eingeführt wurden. Beim vielleicht größten Problem hat sich indes wenig getan. Bauland bleibt teuer, was sich auf Kauf- und Mietpreise überträgt. Auch darum sieht Maier die Wohnungsnot nicht als Folge von Spekulation, sondern als Folge von falsch gesetzten Rahmenbedingungen. Wenn er höre, der Wohnungsmarkt habe versagt, schaudere ihn fast: "Die Politik stellt die Weichen." Er wünsche sich von Land und Bund eine verlässlichere Förderung. In manchen Regionen seien seit 30 Jahren keine günstigen Mietwohnungen mehr gebaut worden. Vor allem für die Ballungsgebiete brauche es einen gesellschaftlichen Konsens, wie eine nachhaltige Bodenpolitik aussehen solle.

Dem Vernehmen nach laufen in der Staatskanzlei derzeit die Vorbereitungen zu einem neuen Wohngipfel. Die Lage ist jedenfalls kompliziert. Neben Wohnraum wird vielerorts zusätzliche Infrastruktur benötigt. Und die Baubranche arbeitet am Maximum. Laut statistischem Landesamt stieg der Bauüberhang - die Differenz zwischen genehmigten und gebauten Wohnungen - zuletzt um 5,4 Prozent auf 155 606. Im Schnitt dauerte es 21 Monate, bis ein Wohngebäude fertiggestellt war.

Zusätzlich spielen regionale Besonderheiten eine Rolle. Das lässt sich an München beobachten. Die Stadt treibt die Preise im Umland, ihre Superlative verzerren den bayerischen Durchschnitt. Als Beispiel könnte eine Annonce dienen, die Maier präsentiert. Das Bild zeigt ein Appartement in guter Lage. Ein Zimmer, 22 Quadratmeter, Kaufpreis: 309 900 Euro. Erwartete Monatsmiete: 1025 Euro, 46,6 Euro pro Quadratmeter. Immerhin, scherzt Maier, werde die Wohnung möbliert angeboten. Quasi ein Schnäppchen.

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Quelle:
SZ vom 21.05.2019
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