Süddeutsche Zeitung

Vermächtnis:Gestammelte Werke großer Politiker

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Problembär, blühende Landschaften, Amigos: Von Politikern bleiben manchmal nur die unglücklichen Aussprüche im Gedächtnis.

Glosse von Nadeschda Scharfenberg

In Bärenkreisen gilt Bayern seit dem tödlichen Ausflug des Artgenossen Bruno als vermintes Gebiet: Zehn Jahre lang hat es kein einziger Angehöriger der Gattung Ursus arctos mehr gewagt, auch nur eine Pratze über die Grenze zu setzen. Mei, auch Bären lesen Zeitung, und da stand im Sommermärchen-Frühsommer 2006 nichts Gutes drin über die bayerische Gastfreundschaft, zumindest was Bären betrifft. "Bären der Welt, meidet Bayern", warnte Hubert Weinzierl, der damalige Präsident des Naturschutzrings. Das WM-Motto "Die Welt zu Gast bei Freunden" - es galt halt nicht für Bruno.

Die Braunbären-Community ist Weinzierls Rat gefolgt, aber eine andere Bärenart hat massiv Einzug gehalten in den Freistaat seit der Sache mit Bruno: der Problembär. Edmund Stoiber hat den Begriff in seiner legendären Stammel-Pressekonferenz zwar nicht erfunden, er stammt ursprünglich aus dem "Konzept Bär" des Bundesamts für Umwelt in der Schweiz. Aber erst durch Stoiber hat sich der Problembär im deutschen Wortschatz eingenistet. Auf Dauer, wie es scheint.

Es gibt diese Sentenzen, die die Jahrzehnte überdauern, wie in Stein gemeißelt. Manchmal schnurren all die Abermillionen Worte, die ein Politiker während seiner Karriere sagt, in der Erinnerung zusammen zu einem einzigen Ausspruch. Caesar = Veni, vidi, vici. Kohl = blühende Landschaften. Clinton = I did not have sexual relations with that woman. Man muss aber kein Weltpolitiker sein, um einen Satz für die Ewigkeit rauszuhauen, die bayerischen Regionalfürsten waren immer gut in dieser Disziplin.

Das Wirken von Franz Josef Strauß gipfelte in dem Spruch "Lieber ein kalter Krieger als ein warmer Bruder", im Langzeitgedächtnis trifft er auf Max Streibls Ausruf "Saludos Amigos" beim Aschermittwoch in Passau. Und was war noch mal die Kernbotschaft von Günther Beckstein? Dass gestandene Mannsbilder nach zwei Mass Bier noch Auto fahren können. Stoiber hat der Nachwelt neben unzähligen Ähs gleich mehrere Weisheiten hinterlassen. Gestammelte Werke. Die zehn Minuten bis zum Flughafen. Die hingerichtete Blume. Die gludernde Lot. Und eben den Problembären.

Das ist die Rache des erschossenen Bruno: dass Stoiber in die Geschichtsschreibung eingehen wird als der Ministerpräsident mit dem Bärenproblem.

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Quelle:
SZ vom 14.05.2016
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