Süddeutsche Zeitung

Urteil in Nürnberg:Auch Sprudel darf jetzt bio sein

Lesezeit: 2 min

Kann Mineralwasser bio sein? Klar, sagte eine Familienbrauerei aus der Oberpfalz und verpasste ihrem Sprudel ein selbstkreiertes Bio-Siegel. Das Oberlandesgericht Nürnberg hat dieses Öko-Etikett nun für rechtens erklärt.

Katja Auer und Ralf Scharnitzky

Kann ein Mineralwasser bio sein? Wo es doch ohnehin tief aus der Erde kommt und einfach so in die Flasche gefüllt wird? Klar, meint man bei der Neumarkter Firma Lammsbräu, verpasste dem Wasser aus dem hauseigenen Brunnen ein Bio-Siegel und vertreibt es seitdem unter dem Namen "Bio-Kristall".

Und das zu Recht, bestätigte am Dienstag das Oberlandesgericht Nürnberg. Das Bio-Mineralwasser unterscheide sich "von vielen anderen Mineralwassern", urteilte der Vorsitzende Richter Manfred Schwerdtner, und damit erfülle Lammsbräu die Erwartungen der Verbraucher. Die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte für Inhaltsstoffe würden mit dem Bio-Wasser erheblich unterschritten.

Und außerdem wecke die Bezeichnung "Bio" nicht die Erwartung, dass dahinter eine staatliche Lizenzierung stecke. Eine solche gibt es nämlich nicht, die Brauerei hat sich ein eigenes Bio-Siegel ausgedacht. Das allerdings muss geändert werden, zu ähnlich sieht es nach Ansicht des Gerichts dem sechseckigen Ökokennzeichen.

Dennoch hat die Brauerei einen Sieg errungen. In zweiter Instanz. Denn zunächst hatte das Landgericht Nürnberg die Verbreitung des Bio-Wassers untersagt und damit der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zugestimmt. Ein Bio-Wasser könne es nicht geben, da keine gesetzlichen oder sonstigen hoheitlichen Vorgaben für den Herstellungsprozess existierten, hieß es damals.

Zwar beruft sich Lammsbräu bei der Bio-Wasser-Abfüllung auf die Richtlinien der Qualitätsgemeinschaft Biomineralwasser - die hat die Brauerei im November 2008 allerdings selbst gegründet.

Mehr als ein Werbespruch? Fest steht, Mineralwasser ist beliebt, im Schnitt trinkt jeder Deutsche 131 Liter im Jahr. 1980 waren es noch 40 Liter. Beim Verband Deutscher Mineralbrunnen beobachtet man, dass sich die Hersteller verstärkt Nischen suchen. "Die Brunnen versuchen sich mit Regionalität, besonderen Abfüllweisen, Bio-Siegeln und anderen Werbemaßnahmen voneinander abzugrenzen", sagt eine Sprecherin.

23 größere Brunnen gibt es in Bayern. Und die lassen sich einiges einfallen, um sich von der Konkurrenz abzuheben. So gibt es bei der Jesuitenquelle aus Ingolstadt ein "Aqua turbo", ein natürliches Mineralwasser mit einer Extraportion Sauerstoff. Und die Bad Brückenauer behaupten, dass ihr Mineralwasser nicht nur gegen unreine Haut hilft, sondern auch das Haar glänzen lässt. Mit reinem Bio-Wasser wirbt noch keiner, nur mit Bio-Zusätzen wie Obst. Bayerns Mineralwasserbetriebe füllten im vergangenen Jahr 580 Millionen Liter ab.

Bei der Zeitschrift Öko-Test ist man skeptisch. "Bio-Mineralwasser erfüllt zwar teilweise strengere Standards, doch herkömmliche Mineralwässer sind häufig ebenso gut", heißt es da. Allerdings werde bei Lammsbräu großer Wert auf ökologische und soziale Aspekte gelegt.

Die Brauerei in Neumarkt in der Oberpfalz, die von der Familie Ehrnsperger geführt wird, gilt als Pionier beim Bio-Bierbrauen. 1992 wurde sie als erste Brauerei Europas nach der "EG Bio Verordnung" zertifiziert. Die Rohstoffe stammen aus regionalem biologischen Anbau, und die Brauerei-Laster fahren mit Pflanzenöl.

Das Bio-Mineralwasser der Brauerei allerdings kommt nicht so gut an. In Jahrbuch 2012 von Öko-Test wird das Wasser nur mit "befriedigend" beurteilt, weil die Keimbelastung sehr hoch sei. Für Lammsbräu-Geschäftsführerin Susanne Horn ist das kein Grund zur Besorgnis. Natürliche und nicht gesundheitsgefährdende Wasserkeime seien das, wie sie eben vorkommen, wenn die Flaschen nicht mit scharfen chemischen Mitteln gereinigt würden. Sie fühlt sich mit dem Urteil bestätigt. Denn wenn man sich mit der Thematik beschäftige, sagt sie, dann werde klar, "dass es ein Bio-Wasser braucht".

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die Verbraucherschützer können eine Revision beim Bundesgerichtshof beantragen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1190111
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.11.2011
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.