Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Urlaub daheim:Dann halt campen

Lesezeit: 3 min

Weil ihnen der Urlaub im Ausland zu gefährlich ist, zieht es in diesen Wochen viele Feriengäste wieder auf die Campingplätze. Dort umgeben sich sie mit allerlei Komfort, die Zeiten des schmuddeligen Zeltens sind zumindest am Brombachsee vorbei.

Von Katharina Kausche, Pleinfeld

Susanne Ehrnsperger ist im Stress. Die Frau Anfang vierzig mit dem freundlichen Gesicht und den blonden Pferdeschwanz ist ein wenig außer Atem. Sie zieht ihre Maske ab und setzt sich auf die Holzbank vor der Rezeption. Wo kann man am besten Angeln? Wo liegt bitte das Bistro? Und wo gibt es die Fahrräder zum Ausleihen? Mit solchen Fragen wird die Leiterin des Waldcampingplatzes am Brombachsee von den Gästen bombardiert. 650 Stellplätze auf 14 Hektar verteilt, außerdem noch 40 Mietunterkünfte - da kommt schon einiges an Fragen zusammen. Der Platz ist ausgebucht, und das unter der Woche. Für Susanne Ehrnsperger heißt das: Sie muss das Büro organisieren, die Einhaltung der Maskenpflicht überwachen und dauernd auf dem Campingplatz hin- und herrödeln.

Campingurlaub scheint trotz oder gerade wegen Corona zu boomen. Eine Alternative zum Strandurlaub also? "Schon vor Corona ist Camping wieder hip und cool geworden, aber in diesem Jahr ist es noch mal beliebter", sagt Susanne Ehrnsperger. Nur würden auch die Ansprüche an den Campingplatz steigen - deshalb gibt es an der Zeltwiese mittlerweile einen Stromanschluss. Schließlich müssen Handy auch im Urlaub geladen werden.

Der Waldcampingplatz ist eine akribisch geordnete Mini-Stadt mit Pfaden, die Namen wie "Amselweg" tragen und von einer breiten Teerstraße abgehen. Um das Gelände herum wachsen Fichten, zum Brombachsee sind es zu Fuß 20 Minuten durch den Altmühler Naturwald. Der Platz ist in verschiedene Kategorien unterteilt: Für Familien gibt es eigene Wiesen, Waldfreunde dürfen unter Fichten zelten. Da drückt schon mal ein Fichtenzapfen durch die billige Isomatte. Luxus-Camper nächtigen in überdimensionalen Holzfässern oder in einem Zirkuswagen. "Glamping" nennt sich diese Variante, die mit dem schmuddeligen Zelten nicht mehr viel zu tun hat.

Isabelle Kuntzsch bewohnt die Familienwiese - mit vier Kindern, einer Freundin und zwei Zelten. Sie gehören zu denen, die zum ersten Mal mit der Familie die Zelte aufschlagen. "Nach Spanien oder Griechenland wären wir sonst mit Sicherheit geflogen", sagt Kuntzsch. "Wir wollten in Deutschland bleiben, weil wir Angst hatten, sonst nach der Rückkehr in Quarantäne zu müssen." Ihre Zwischenbilanz am Brombachsee? Eigentlich ganz nett hier, aber nicht eben billig. Eine Ferienwohnung sei auch eine Option gewesen, aber die sind ausgebucht oder zu teuer. So hat es nicht nur Isabelle Kuntzsch, sondern auch etliche andere ins Fränkische Seenland verschlagen.

Auch Jakob Meyer und David Hofman wollten eigentlich nach Malle fliegen. Jetzt sitzen sie unter ihren Pavillon. "Dafür dass man alles selbst mitbringt, ist es nicht günstig", sagen auch sie.

Jeder Campingplatz hat seine eigenen Konditionen: Kurtaxe, Mietpreis fürs Zelt und Personengebühr, dazu mindestens zwei Übernachtungen oder doppelte Personengebühren fürs Singles. Dazu die Verpflegung, das läppert sich.

Und viele gönnen sich auch ganz bewusst den Komfort. Vom spartanischen Zelten, das manche von Interrail-Reisen her kennen, ist nicht mehr viel übrig. Der Frühstückstisch vor dem Zelt darf ebenso wenig fehlen wie die Hängematte in der Baumgruppe hinter dem Lager. Vielmehr scheinen die Camper nach dem Motto zu packen: Alles was ins Auto passt, muss mit. Und wenn da nichts mehr geht, dann weicht man auch gerne auf das Dach oder den Fahrradträger aus. Sommerküche, Kochplatte, ein Vorzelt mit improvisierten Schränkchen, wie man sie oft in Küchen findet - bei einigen Campern scheint der halbe Haushalt auf dem Zeltplatz zu stehen. Und auch Deko darf nicht fehlen. Teelichter, LED-Laternen, Kronleuchter - kreativ sind die Camper allemal.

Wie Andrea Specht: Die Lehrerin ist vier Tage alleine mit ihrem Hund campen und kann mit ihrem Fünf-Personen-Zelt inklusive Feldbett, einer kleinen Lounge und ihrem Essbereich andere durchaus neidisch machen. Der Blumenstrauß auf dem Frühstückstisch - diesmal sind es Sonnenblumen - ist Tradition bei ihren Camping-Urlauben, zu denen sie meistens dreimal pro Jahr aufbricht. Das Abstand halten, sagt sie, das sei auf den Plätzen sowieso kein Problem. "Wenn wir uns alle vernünftig verhalten, dann ist Camping trotz Corona eine gute Sache."

Trotz der steigenden Nachfrage rechnet Susanne Ehrnsperger mit Einbußen von 30 bis 40 Prozent beim Campen, im dazugehörigen Hotel sind es sogar 50 Prozent. "Allerdings müssen beim Camping auch die Jahreseinnahmen in nur wenigen Monaten reinkommen", sagt sie. Die verlorenen Monate April und Mai könne auch ein ausgebuchter Platz nicht wieder gutmachen. Trotzdem ist Ehrnsperger sich sicher: "Wenn alle mitmachen, dann wird es ein schöner Sommer. Es liegt an jedem einzelnen, etwas dafür zu tun."

So frei, naturnah und abstandskonform Camping auch sein mag, ganz frei von Beschränkungen ist man auch dort nicht. In den Sanitäranlagen muss ebenso die Maske getragen werden wie vor dem Bäckerwagen beim Semmelholen. Die Abstandsregel gilt sowieso. Obwohl der Platz in diesem Jahr voller ist als sonst, auf dem weitläufigen Gelände verteilen sich die Gäste schnell, Schlangen bilden sich nur vorm Camp-Bistro und vor den Duschen.

Ist Camping in Bayern also erholsam? Der Selbstversuch am Brombachsee ergab: Es kommt ganz entscheidend auf die Iso-Matte an. Und ja, eine Anreise mit dem Auto ist durchaus empfehlenswert, wenn man nicht ohne Kopfkissen schlafen möchte. Dosenöffner braucht man auf dem Waldcampingplatz am Brombachsee eher nicht. Dort gibt es ein Restaurant. Flammkuchen und Burger schmecken auch definitiv besser als Dosenravioli auf dem Campingkocher.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4988281
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 04.08.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.