Süddeutsche Zeitung

Oberpfalz:82-Jähriger türmt für Schweinsbraten aus dem Seniorenheim

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Der Mann soll dement und auf einen Rollstuhl angewiesen sein. Für die Mahlzeit nahm er dennoch einiges auf sich.

Kolumne von Katja Auer

Wenn Menschen älter werden, verliert der Konsum oft an Einfluss, zumindest reduziert sich die Bedeutung der Dinge auf ein paar wenige. Die Großhauser Mina aus der Oberpfalz zum Beispiel wehrte schon in ihren Sechzigern Geburtstagsgeschenke nachdrücklich ab, mit der Begründung, dass es sich ohnehin nicht mehr rentiere.

Das bewahrheitete sich zwar nicht, sie ist sehr viel älter geworden, Geschenke hat sie dem Gast aber trotzdem konsequent wieder mitgegeben. Außer, es waren ein paar Lebkuchen oder selbstgemachte Marmelade, die hat sie genommen. Und dem Gast das Geschenkpapier in die Hand gedrückt, gefaltet und glatt gestrichen, weil man das bestimmt noch brauchen kann.

Es war ja nicht nur Bescheidenheit, sondern auch der selbst erlebte Mangel, der die nun aussterbende Kriegsgeneration zu einer besonders genügsamen machte. Jetzt im Herbst gab es immer Kürbissuppe, die essen die Hipster von heute immer noch, wenn der Kürbis bio, regional oder wenigstens fair gehandelt und vegan ist.

Das war er bei der Großhauser Mina auch schon, vor allem aber war er da, und bis die 16 Kürbisse aus dem eigenen Garten alle aufgegessen waren, hat es oft bis in den Februar hinein gedauert. Das mag eintönig klingen, war es auch, aber fortgeschmissen wurde deswegen nichts. Zumal auch ihr Ehemann ein ebenso geduldiger wie genügsamer Mann war.

Möglicherweise hat ein 82-jähriger Mann aus Weiden in seinem Leben auch schon viel Kürbissuppe essen müssen, jedenfalls hat ihn kürzlich der Glust auf etwas anderes gepackt und er ist aus einem Seniorenheim verschwunden. Das ist bemerkenswert, weil der Herr demenzkrank und auf den Rollstuhl angewiesen sein soll.

Den Weg ins Wirtshaus jedenfalls wusste er noch, wo er sich einen Schweinsbraten mit Spouzn bestellte. Ein Essen, dem gerade in sonst genügsamen Gegenden eine elementare Bedeutung zukommt. Spouzn heißen die Knödel in Teilen der Oberpfalz, hießen vielmehr, denn oft sind sie nicht mehr auf den Speisekarten zu finden. Nicht mal in bio, vegan und fair gehandelt.

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Quelle:
SZ vom 07.10.2017
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