Süddeutsche Zeitung

Umfrage-Affäre:Staatsanwaltschaft verzichtet auf Ermittlungen

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Keine Anhaltspunkte für Straftaten: Die Staatsanwaltschaft will nicht wegen der Umfrage-Affäre ermitteln. Für die SPD ist das ein "ungewöhnlicher Vorgang".

Mike Szymanski

Die Münchner Staatsanwaltschaft sieht wegen der CSU-orientierten Umfragen der Staatskanzlei derzeit keinen Anlass, wegen des Verdachts der Untreue ein Ermittlungsverfahren einzuleiten. Die Behörde teilte am Freitag mit, dass sich nach derzeitigem Stand "keine hinreichenden Anhaltspunkte für Straftaten ergeben haben".

Die Staatskanzlei hatte 2006, 2007 und 2008 auf Kosten der Steuerzahler mehrere sogenannte Resonanzstudien in Auftrag gegeben. In zwei dieser Umfragen hatte das Hamburger Meinungsforschungsinstitut GMS der CSU Anleitungen gegeben, wie sie mit der politischen Konkurrenz im Freistaat umzugehen habe. Das ging so weit, dass das Institut der CSU empfahl, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Koalitionspartner FDP zu führen.

Dies führte zu einem heftigen Koalitionskrach. Die Liberalen kannte die Studien nicht, sie wurden erst auf Druck der SPD veröffentlicht. Die FDP erwartet Aufklärung, die Staatskanzlei soll einen Katalog von Fragen beantworten. Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer sieht indes kein Fehlverhalten beim Auftraggeber Staatskanzlei.

Auch wenn die Staatsanwaltschaft den Fall vorerst nicht weiter verfolgt, ist die Affäre für die Staatsregierung noch nicht ausgestanden. Eingeschaltet hat sich längst auch die Bundestagsverwaltung, die einen möglichen Verstoß gegen das Parteiengesetz prüft. Auch der Oberste Rechnungshof in München untersucht den Fall. "Die Überprüfung dauert noch an", sagte ein Sprecher.

"Beweislast erdrückend"

Sollten Bundestagsverwaltung und Rechnungshof Verfehlungen feststellen, würde auch die Staatsanwaltschaft München ihrerseits wieder ermitteln, kündigte der Leitende Oberstaatsanwalt Manfred Nötzel an.

Markus Rinderspacher, der Fraktionsvorsitzende der Landtags-SPD, bezeichnete das Verhalten der Staatsanwaltschaft als "ungewöhnlichen Vorgang". Er wundere sich darüber, dass sich die Staatsanwaltschaft erst dann wieder mit dem Fall befassen wolle, wenn andere Behörden Verstöße feststellten. Sie mache es sich damit zu leicht. Rinderspacher geht davon aus, dass der Staatskanzlei Fehler nachgewiesen werden können. "Die Staatsanwaltschaft darf sich schon darauf einstellen, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Aus unserer Sicht ist die Beweislast erdrückend." Die SPD hält die Umfragen für verdeckte Parteienfinanzierung. Sie hatte die fragwürdige Umfragepraxis erst ans Licht gebracht.

Am Freitagabend wollte sich auch der Landesvorstand der FDP mit den Umfragen befassen. Bei den Liberalen hat sich Ärger aufgestaut. Generalsekretärin Miriam Gruß will jetzt rasch Antworten vom Koalitionspartner. "Uns dauert das alles zu lang", sagte sie am Freitag.

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Quelle:
SZ vom 21.08.2010
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