Süddeutsche Zeitung

Traunstein:Schleuser muss vier Jahre in Haft

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Von Matthias Köpf, Traunstein

Am Ende kam der als mutmaßlicher Schleuser verdächtigte Mann sogar selbst zur Bundespolizei. Die hatte ihm ganz neutral an seine Adresse in Italien geschrieben, er könne sein Auto in Piding nahe der österreichischen Grenze abholen. Dem Fahrer, den er zunächst vorgeschickt hatte, wollten die Beamten den Schlüssel mangels Vollmacht nicht geben. Als Marcel M. persönlich erschien, behielten sie ihn gleich da.

Am Dienstag nun wurde er dem Landgericht Traunstein aus der Untersuchungshaft vorgeführt. Mit ihm glaubte die Polizei endlich einen der Hintermänner der vielen kleinen Schleuser gefasst zu haben, wie sie etwa am Amtsgericht im nahen Laufen an manchen Tagen im Viertelstundentakt verurteilt werden.

Die zweite Strafkammer des Landgerichts hatte sich für M. drei Verhandlungstage Zeit genommen, um die sieben Schleusungen aufzurollen, mit denen ihn die Polizei in Verbindung bringt. Der Staatsanwalt plädierte auf viereinhalb Jahre Haft, und das Gericht verhängt schließlich auch vier Jahre für gewerbsmäßige Schleuserei.

Sechs Syrer als Zeugen

Nach zahlreichen Ermittlern hatte die Kammer für den letzten Verhandlungstag als Zeugen auch sechs junge Männer aus Syrien geladen. Diese sind im März zusammen mit weiteren vier Fahrgästen nahe der tschechischen Grenze in Sachsen auf der A 17 in einem Kleinbus aufgegriffen worden und leben derzeit in einem Asylbewerberheim bei Chemnitz. Die sechs sollten den Angeklagten nun als jenen Hintermann identifizieren, der ihnen in einer dämmrigen Tiefgarage in Budapest begegnet war.

Damals soll dieser Mann, ein Rumäne, ungarische Polizeibeamte dazu bewogen haben, den falsch geparkten Kleinbus wieder von der Parkkralle zu befreien. Den Flüchtlingen war dabei bedeutet worden, sich abseits zu halten, so dass sich am Dienstag nur einer von ihnen einigermaßen festlegen mochte, dass der einsilbige Mann, der in der gesteppten Lederjacke auf der Anklagebank saß, wirklich jener Mann in Budapest gewesen ist.

Nach der Panne mit der Parkkralle war die Schleuserfahrt weitergegangen über Tschechien nach Deutschland, für 600 Euro pro Person. Von den 6000 Euro - soviel erbrachte die Schleuserfahrt insgesamt - sollte der Fahrer laut seiner Aussage 2000 Euro erhalten.

Der Fahrer telefonierte die ganze Zeit

Wie die Syrer nun aussagten, habe ihr Fahrer die ganze Zeit über am Handy telefoniert. Mobiltelefone spielen eine große Rolle für Flüchtlinge und für Schleuser. Das weiß allerdings auch die Polizei. Der Angeklagte besaß gleich mehrere Handys. Ein bei einer anderen Tour verhafteter Fahrer hatte drei verschiedene Nummern von ihm eingespeichert, eine unter dem Eintrag "Boss". Einen weiteren Fahrer hatte die Polizei sogar abgehört. Auch er hatte eifrig mit M. telefoniert und später im Verhör zwei bis drei Fahrten für ihn eingeräumt. Das allerdings kam im Prozess nicht ausführlich zur Sprache. Aus gutem Grund: Der Fahrer hat gegen seine Haftstrafe von zweieinhalb Jahren inzwischen Berufung eingelegt. Er durfte folglich die Aussage verweigern. Ein weiterer Fahrer wiederum hat sich dem Gericht ganz verweigert.

Die vielen Telefonate mit dem jetzt Angeklagten waren nach Auffassung der Kammer indes nicht damit zu erklären, dass dieser seinen drei Autos nachtelefoniert habe. Diese Fahrzeuge, so hatte der Angeklagte ausgesagt, habe er Freunden zu einem unbekannten Zweck geliehen. Was dem Gericht aber auffiel: Der Mann hält sich zwar Autos, hat aber gar keinen Führerschein. Und: Alle seine angeblichen Freunde wurden als Schleuser festgenommen und haben jeweils ihn als Auftraggeber genannt. Diese Indizien erschienen der Kammer beweiskräftig genug.

Von den mehr als 40 Passagieren der nachgewiesenen Fahrten, die meisten davon Syrer, aber auch Palästinenser und Afghanen, erfuhr das Gericht die Details nur über Vernehmungsprotokolle. Einige berichteten, sie hätten sich in einem einschlägig bekannten Café in Mailand einen Schleuser gesucht und sich dort dann den billigsten ausgesucht. So waren sie an den Angeklagten, seine Mittelsmänner sowie Fahrer geraten. Bis Deutschland schafften sie es erst im zweiten Anlauf, denn beim ersten Versuch blieben sie in einer italienischen Verkehrskontrolle hängen.

Seine Kunden kamen über die Balkanroute und übers Mittelmeer

Der Angeklagte konzentrierte sich offenbar stets auf die letzte Etappe der Flucht. Zuvor kamen seine Kunden zu einem großen Teil über die Balkanroute nach Budapest, aber auch über das Mittelmeer nach Italien. Die Fahrten nach Deutschland führten oft über Salzburg und Passau, zudem auch über Füssen und Ulm - nach Ansicht der Ermittler das Drehkreuz einer bestimmten Schleuserorganisation.

Die Syrer im Zeugenstand gaben an, sich auf der Balkanroute teils auf eigene Faust durchgeschlagen zu haben, teils hätten sie sich aber auch der Dienste lokaler Schleuser bedient. Etwa 2000 Euro wollen sie jeweils für die ganze Reise gezahlt haben. Als sie mit ihren Aussagen durch waren, füllte der Dolmetscher eilig eine Rechnung aus. Er musste wieder an die Grenze nach Freilassing.

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Quelle:
SZ vom 25.11.2015
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