Süddeutsche Zeitung

Tendenz steigend:In Bayern fehlen 300 000 Fachkräfte

Lesezeit: 2 min

Kommunen werben um qualifizierte Arbeitnehmer

Rund 300 000 qualifizierte Arbeitskräfte fehlen derzeit in Bayern. Das geht aus Berechnungen der Industrie- und Handelskammer (IHK) hervor. Viele Städte, Gemeinden und Landkreise im Freistaat können vor allem Stellen in technischen Berufen oder der Pflege immer schwerer besetzen. Mit Berufsmessen, Imagefilmen und durch Anwerbungen aus dem Ausland versuchen die Kommunen gegenzusteuern. Von einem "Fachkräftemangel" will Franz Löffler (CSU) nicht sprechen. "Es handelt sich eher um einen Fachkräfteengpass in bestimmten Bereichen", sagt der Landrat von Cham und Präsident des Bezirkstags der Oberpfalz.

Betroffen seien vor allem die Branchen Gesundheit, Gastronomie und Handwerk. "Der Hauptgrund für eine verstärkte Nachfrage nach Fachkräften ist eine enorm dynamische Entwicklung der Wirtschaft", sagt Löffler. Die Arbeitslosenquote im Landkreis betrage etwa zwei Prozent. Doch die demografische Entwicklung mache zu schaffen: "Das Potenzial an Arbeitskräften wird weniger und älter." Um junge Menschen in der Region zu halten, veranstaltet der Landkreis Berufsmessen und kooperiert mit Hochschulen aus der Region. Hilfreich, so Löffler, sei auch die enge Zusammenarbeit mit dem Nachbarn Tschechien: "Wir haben im Landkreis Cham mit 4000 tschechischen Arbeitnehmern den höchsten Anteil in ganz Deutschland."

Im oberfränkischen Hof bereitet vor allem das Baugewerbe Sorgen. "Es macht sich ein großer Fachkräftemangel im Bereich der Bauingenieure bemerkbar", sagt Stadtsprecher Rainer Krauß. "Das trifft insbesondere unsere eigene Stadtverwaltung. Wir haben einige offene Stellen, die wir nicht besetzt bekommen." Hauptursache sei die Hochkonjunktur vor allem im Baubereich. Um Fachkräfte nach Hof zu locken, beteilige sich die Stadt an Messen, betreibe Alumni-Netzwerke und suche auch in sozialen Medien nach Personal, so Krauß. Doch nicht nur ländliche, von Abwanderung betroffene Regionen wie der Bayerische Wald oder der Osten Oberfrankens leiden unter Engpässen, sondern auch Großstädte. "Einem Überangebot an Geringqualifizierten und Hochqualifizierten steht ein Mangel an Fachkräften gegenüber", beschreibt Wolfgang Nickl vom Münchner Referat für Arbeit und Wirtschaft die Lage in der Landeshauptstadt. Bei der Bundesagentur für Arbeit seien etwa 10 000 offene Stellen in München gemeldet.

Die Arbeitswelt ändert sich rasant, doch der Nachwuchs ist darauf unzureichend vorbereitet: Das merkt man auch in Bayerns zweitgrößter Stadt Nürnberg. In Zukunftsbranchen wie Informations- und Kommunikationstechnik, Verkehr und Logistik sowie Energie und Umwelt fehlten unter anderem Ingenieure, Informatiker, Softwareentwickler, Mechatroniker und Elektroniker, sagt Wirtschaftsreferent Michael Fraas. Oft mangele es den Arbeitgebern an ausreichend qualifizierten Bewerbern. "Mittlerweile müssen Unternehmen sich arbeitnehmernah präsentieren, um Vakanzen überhaupt besetzen zu können", meint Fraas. Immer mehr Nürnberger Unternehmen bildeten ihren Nachwuchs selbst aus und versuchten mit finanziellen Anreizen, Mitarbeiter zu binden. Und ohne Migration geht es nicht: Der Leitfaden "Willkommen in Nürnberg - Informationen für Fachkräfte aus dem Ausland" steht längst in mehreren Sprachen zur Verfügung, der Imagefilm "We love Nürnberg" wirbt für die fränkische Metropole. Außerdem gibt es in der Stadt seit 2014 eine "Azubi-Akademie", das Wirtschaftsreferat unterstützt die "Allianz pro Fachkräfte" der Metropolregion Nürnberg.

Ob all diese Maßnahmen langfristig fruchten, bleibt abzuwarten. Laut dem Fachkräftemonitor der IHK fehlten in Bayern im vergangenen Jahr 301 000 qualifizierte Arbeitskräfte. Für 2030 kalkuliert die Kammer im Freistaat trotz Migration mit 545 000 fehlenden Fachkräften - vor allem im Dienstleistungssektor.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4743288
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 03.01.2020 / dpa
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.