Süddeutsche Zeitung

Staatsdiener vor Gericht:Zur Armut verurteilt

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Von Detlef Esslinger

Vor Gerichten gibt es Angeklagte, denen eine einfache Strafe droht, und solche, die einer doppelten ins Auge sehen müssen. Einfach bestraft zu werden, kann schon hart genug sein. Das ist das, was den meisten droht: Angestellten, Arbeitern, Selbständigen, Schülern, Studenten, Rentnern, Hausfrauen und -männern. Die doppelte Strafe aber ist das, was den Angehörigen einer anderen Personengruppe droht, den Beamten. Dies wird gerade wieder im Augsburger Prozess gegen den früheren Fraktionschef der CSU im Bayerischen Landtag, Georg Schmid, deutlich.

Er ist angeklagt, weil er seine Frau als Scheinselbständige beschäftigt und so die Sozialversicherung wie den Fiskus um Beträge in sechsstelliger Höhe geprellt haben soll. Schmid war in seinem Leben auch Oberregierungsrat im Landratsamt Dillingen an der Donau und Staatssekretär. Daher wird er dem Plädoyer des Staatsanwalts, das voraussichtlich an diesem Montag gehalten wird, und dem Urteil am Mittwoch mit besonderem Bangen entgegensehen.

Denn auch für ihn würde eine eherne Regel des Beamtenrechts gelten: Wer zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe oder mehr verurteilt wird, verliert automatisch den Beamtenstatus; selbst dann, wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Beamtenstatus verlieren, das heißt: Man hat auch keinen Anspruch auf eine Pension mehr. Wegen einer Sonderregelung im bayerischen Abgeordnetengesetz bliebe Schmid noch die Abgeordnetenpension.

Verlust der Pension ist "existenzbedrohend"

Ist das Beamtenrecht zu hart? Der Angestellte, der verurteilt wird, fährt nach dem Strafverfahren (und eventuell einer Haft) mit seinem Leben fort. An Rentenansprüchen, die er früher erworben hat, ändert sich nichts. Der Oberregierungsrat, der Polizeihauptmeister, der Amtmann hingegen - sie alle fallen tief. Ihr früherer Dienstherr versichert sie zwar bei der Rentenversicherung nach, er bezahlt ihnen für ihre gesamte Dienstzeit sowohl die Arbeitgeber- wie die Arbeitnehmeranteile.

Aber jede Rente ist schon deshalb sehr viel niedriger als jede Pension, weil sie sich nicht an der Höhe der letzten Bezüge orientiert, sondern auch an den verschieden hohen Einkommen übers gesamte Berufsleben hinweg. Und privat haben Beamte in der Regel nicht vorgesorgt - sie dürfen sich ja darauf verlassen, bei untadeligem Lebenswandel bis zu gut 72 Prozent ihres letzten Einkommens als Pension zu erhalten. Hans-Ulrich Benra, stellvertretender Vorsitzender des Beamtenbunds, fasst den Verlust der Pension daher mit einem Wort zusammen: "existenzbedrohend".

Bürger müssen Vertrauen haben können

Trotzdem handelt es sich um eine Konsequenz, die auch Benra nicht infrage stellt. Zu den Säulen des Rechtsstaats gehört, dass die Bürger Vertrauen in dessen Amtsträger haben dürfen - dass diese unparteiisch und unbestechlich sind, dass erst recht sie sich an sämtliche Gesetze halten. Niemand soll am Staat insgesamt zweifeln müssen, weil man es mit einem Amtsträger zu tun hat, der einmal Anlass gegeben hat, an ihm persönlich zu zweifeln. Beamter zu sein hat ja zudem Vorteile: Unkündbarkeit und lebenslange Versorgung zum Beispiel. Benra sagt: "Wer sich auf die Laufbahn als Beamter einlässt, muss auch die Regeln akzeptieren, nach denen dort gespielt wird."

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SZ vom 16.03.2015
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