Süddeutsche Zeitung

Sieger:Ausgezeichnetes Bauen

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Bücherei, Bildungshaus und Knödelfabrik: Architektenkammer verleiht Preise für besonders gelungene Umbauten und Sanierungen

Von Sebastian Krass, München

"Bauen im Bestand" - das ist eine eigene Disziplin in der Architektur, allerdings nicht die populärste. Lieber treten die meisten Architektinnen und Architekten, aber auch ihre Auftraggeber in der Disziplin "Neubau" auf; das ist meist einfacher und verspricht mehr Raum zur Selbstverwirklichung für alle Beteiligten. Aber in der Klimadebatte geht es zunehmend auch um den enormen CO₂-Ausstoß der Baubranche und die Ressourcen, die für Abriss und Neubau von Gebäuden draufgehen. Und so passt es gut ins gesellschaftliche und politische Klima, dass die Bayerische Architektenkammer am Mittwoch den Preis "Bauen im Bestand" vergeben hat - und zwar in drei Kategorien.

In die erste Kategorie fielen Gebäude, die vor 1900 errichtet wurden. Die Jury kürte in diesem Bereich das Projekt "Haus, Stall, Scheune: Neue Bücherei Gundelsheim" des Büros Schlicht Lamprecht Architekten (Schweinfurt) zum Sieger. Die oberfränkische Gemeinde wollte aus einem alten Bauernhaus mit angebauter Stallung einen sozialen Treffpunkt machen - auch als Ersatz für den Bücherbus, dessen Betrieb aus finanziellen Gründen eingestellt worden sei, wie Bürgermeister Jonas Merzbacher berichtet. "Wenn man das Gebäude abgerissen hätte, hätte es ein Stück weit die Identität von dem Ort kaputt gemacht", sagt Architekt Christoph Lamprecht. So wurde der Hof saniert und um einen Anbau ergänzt, der außen von Holz dominiert, dahinter aber mit viel Glas errichtet ist. Jury-Mitglied Ira Mazzoni lobt die "hervorragende Qualität des neu geschaffenen, identitätsstiftenden Ensembles".

In der zweiten Kategorie (Gebäude aus der Zeit von 1900 bis 1945) entschied die Jury, das Seminar- und Bildungshaus der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg in der Oberpfalz auszuzeichnen, das vom Büro Juretzka Architekten (Weiden) im Auftrag der Stiftung Bayerische Gedenkstätten geplant wurde. Die Aufgabe war, ein früheres SS-Casino in einen "positiven Ort der Begegnung und des Austausches umzubauen", wie Jurorin Mazzoni sagt. "Die aus dem massiven Sockel herausgeschobenen, großflächig verglasten Seminarräume bieten die für ein Bildungshaus nötige Distanz und zugleich die stete Rückbindung an die Flossenbürger KZ-Topografie."

In der dritten Kategorie (Gebäude aus den Jahren 1945 bis 1985) ging der Preis nach München, wo auf dem ehemaligen Betriebsgelände von Pfanni in der Nähe des Ostbahnhofs ein neues Stadtquartier entsteht. Das erste große Projekt war das nun prämierte "Werk 3": Aus einer 100 Meter langen, 30 Meter tiefen und 22 Meter hohen Knödelfabrik wurde ein um drei Stockwerke nach oben erweiterter Komplex mit Büros und Gastronomie - auf dessen begrüntem Dach das ganze Jahr über eine Hand voll Schafe leben. Architekt Johannes Ernst vom Münchner Büro Steidle Architekten beschreibt den Charakter des Gebäudes als "urban motherfucker". Es habe so groß werden müssen, "wie es geht, um von Anfang eine öffentliche Atmosphäre zu erzeugen und den Motor der Urbanität anzuwerfen". Die Architekten und ihr Bauherr, Pfanni-Erbe Werner Eckart, hätten "alles getan, um den puren Industriecharakter zu bewahren und um vielfältiges soziales und kulturelles Leben zu ermöglichen", würdigt Ira Mazzoni das Projekt.

Der Preis "Bauen im Bestand" wurde erstmals im Jahr 2017 verliehen. In Frage kamen Gebäude, die in den vergangenen fünf Jahren saniert oder umgebaut wurden. Sie können, aber müssen nicht unter Denkmalschutz stehen. Die Preise sind mit je 6000 Euro dotiert.

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SZ vom 30.07.2021
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