Süddeutsche Zeitung

Seehofer im Landtag:Wo Technik noch Sünde ist

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Ministerpräsident Seehofer referiert im Landtag mit iPad in der Hand - und verstößt so gegen die Geschäftsordnung. Laut dieser haben Regierungsmitglieder zwar jederzeit Rederecht. Computer dürfen aber nicht ans Rednerpult.

Eine Glosse von Frank Müller

Horst Seehofer hatte seine Rede zur Pkw-Maut im Landtag schon beendet und sich wieder auf seinen Chefsessel gesetzt. Da zeigte ihm Staatskanzleiministerin Christine Haderthauer eine Passage aus dem Berliner Koalitionsvertrag auf ihrem iPad. Die wollte Seehofer noch nachtragen. Also nahm er Haderthauers Tablet, ging zurück ans Pult, wartete nicht lange auf die nochmalige Worterteilung und referierte noch zwei Minuten mit dem iPad in der Hand.

Dass Seehofer unverkrampften Umgang mit Formalitäten pflegt, weiß inzwischen jeder. Dass er aber damit einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung des Landtags begehen würde, war ihm offenbar selbst nicht bewusst. Laut dieser haben Regierungsmitglieder zwar jederzeit Rederecht. Computer jedoch dürfen zwar in den Sitzungssaal gebracht werden, dort aber nicht ans Rednerpult.

Der beständigste Kämpfer gegen diese antiquierte Regelung war der frühere CSU-Medienminister Eberhard Sinner. Der erinnert sich noch heute gern an die Zeit, als er mit einem Laptop auf der Regierungsbank anrückte. Damals mussten noch Verlängerungskabel mit Klebeband verlegt werden, manch einer sah die Würde des Parlaments in Gefahr.

Wiederholt provozierte er später mit dem iPad am Pult. Sinner ist nicht mehr im Landtag, das Verbot aber blieb. Erfolgreicher verlief die Pioniertat des bayerischen Bundestagsabgeordneten Jimmy Schulz. Der FDP-Mann war der erste, der eine Bundestagsrede vom iPad ablas, dort fiel später das Verbot (und kurz nach ihm die FDP).

Das könnte sich nun auch im Landtag abzeichnen. Nach Seehofers iPad-Sätzen geriet selbst Landtagspräsidentin Barbara Stamm ins Grübeln, die bislang nicht als Verfechterin der Digitalisierung aufgefallen ist. Der Einsatz solchen Geräts werde "sich wohl nicht auf Dauer verhindern lassen", sagte sie.

Die ganz andere Lösung wäre es, alle Hilfsmittel zu verbieten, also auch Zettel. Die Geschäftsordnung schreibt nämlich grundsätzlich freie Rede vor. Daran halten sich nicht alle. Manche müssen es auch nicht. "Mitgliedern der Staatsregierung", so heißt es in den Regeln, "ist das wörtliche Ablesen erlaubt." Das macht Seehofer praktisch nie. Außer dieses eine Mal: vom iPad.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2013
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