Süddeutsche Zeitung

Oberfranken:"Mutti's Sonnenschein" aus der Bauernhofbrauerei

Lesezeit: 3 min

David Hertl braut 44 verschiedene Sorten Bier in der kleinsten Brauerei Frankens. Angefangen hat alles mit einem Zufall - inzwischen ist er auch in der Sterne-Gastronomie bekannt.

Von Alena Specht, Schlüsselfeld

Das ist also die angeblich kleinste Brauerei Frankens: ein Bauernhof am Ortsrand von Schlüsselfeld. Gebraut wird im ehemaligen Schlachtraum, draußen auf dem Hof und in der alten Scheune stapeln sich Bierkästen. Der Braumeister heißt David Hertl, er ist mehr so der lockere Typ. Die Besucherin lädt er erst einmal in die Küche ein, drinnen in der Stube springt die Katze auf den Schoß. Die Belegschaft sitzt gerade am Tisch. Mit dabei Jim Barnes aus den USA und mit 53 Jahren der älteste Brauerlehrling Deutschlands.

Es geht recht unkonventionell zu in der "Biermanufaktur Hertl". Zehn Jahre ist es erst her, da hat David Hertl damit begonnen, den alten Hof seiner Mutter zur Brauerei umzubauen. Seit mehr als 180 Jahren ist der Hof in Familienbesitz. Wo früher Schweine lebten, werden heute Bierflaschen etikettiert und Brauseminare abgehalten - auch eines speziell für Männer, inklusive Grillen und sechsstufiger Verköstigung, das übrigens ausgebucht ist.

"Alkoholproduktion liegt in der Familie", sagt David Hertl, der Chef. Sein Vater kommt aus dem Weinanbau und wollte, dass der jüngste Sohn in seine Fußstapfen als Winzer tritt. Aber "Traubenbauer war nie mein Job. Das hat mir nicht getaugt", sagt Hertl. Daraufhin nahm der Großvater, von Beruf Elektriker, seinen Enkel als Praktikant mit auf eine Baustelle in einer Brauerei. Wenn man so will, eine schicksalhafte Begegnung: Denn nach Winzer war auch der Beruf des Elektrikers nichts für Hertl, die Brauerei aber hatte es ihm angetan. Er absolvierte eine Lehre als Brau- und Malzmeister und eine Weiterbildung zum Biersommelier. 2013 machte er sich mit gerade einmal 23 Jahren selbständig und eröffnete seine Braumanufaktur. Ein durchaus gewagtes Unterfangen, zumal in Oberfranken, wo an Brauereien kein Mangel herrscht: Mehr als 260 sind es. Nirgendwo sonst drängen sich in Deutschland so viele Bierbrauer wie hier.

In der Brauerei hilft die ganze Familie zusammen. Vater Bernd Hertl ist als erster Mitarbeiter eingestiegen, die Mutter kocht, Opa macht die Elektrik. Das schlägt sich auch in der Produktlinie nieder: Mit dem Kellerbier "Opa's Liebling" fing es an. Auch Mutter Veronika Hertl und der Vater Bernd sind inzwischen Namensgeber für Biere. Das Gesicht von Veronika ziert "Mutti's Sonnenschein", das von Bernd "Papa's Weißheit". Der Kopf von Großvater Franz prangt nicht nur auf dem Kellerbier, sondern auch als großes Graffito auf der Scheunenwand neben der Hofeinfahrt.

Insgesamt braut David Hertl im Jahr rund 400 Hektoliter Bier. Damit sei die Braumanufaktur die kleinste Brauerei Frankens, sagt Hertl. Neben den klassischen Biersorten stellt er vor allem Craft Biere her. Über das Jahr braut er 44 verschiede Sorten: Das tiefschwarze "Motoröl Imperial Porter" reift drei Monate im Eichenfass. Der "Jägermeisterbock" lagert zwei Monate in einem acht Jahre alten Jägermeisterfass im Gewölbekeller des Bauernhofs. Der Whiskydoppelbock ist nach sechs Monaten im schottischen Whiskyfass mit einem Alkoholgehalt von 11,3 Prozent das stärkste Bier.

Auch das Gurken- oder Trüffelbier und der Hopfen Gin sind beliebt. Die Craft-Biere werden auf dem Hof in Tonflaschen abgefüllt, per Hand etikettiert und versiegelt. "Tonflaschen sind das beste Behältnis für Bier", sagt David Hertl. Es kommt kein Licht hinein und die Temperatur bleibt immer schön konstant. Die klassischen Biersorten lässt David Hertl in einer größeren Brauerei in Glasflaschen abfüllen. Die Zutaten für die Biere kommen aus der Region. "Nur für die verrückten Geschichten muss man international denken", sagt Hertl. Die Biere werden vor allem in Feinkostläden und auf dem Hof verkauft. Aber auch Sterne-Koch Alexander Herrmann schenkt sie bei seinen Events aus.

Die Ideen für die Mischungen stammen von David Hertl selbst. "Ich bin der verrückte Kopf hier", sagt er. Ob seine Bierexperimente ankommen, testet Hertl immer zunächst in den Bierseminaren. Jede Woche können "Bierverrückte und Menschen, die was mit Bier anfangen können" in einem eintägigen Kurs ihr eigenes Bier brauen und sechs Wochen später in der Brauerei abholen. "Bierbrauen ist wie Müslimachen", sagt David Hertl. Jedenfalls so ungefähr. Das Malz wird zerkleinert und mit Wasser vermischt. Dann werden die festen Bestandteile von der Flüssigkeit getrennt. Der Sud wird aufgekocht, Hopfen und Hefe dazu gegeben. Für den Gärprozess wird das Bier dann für sechs Wochen in große Tankbehälter gefüllt.

Acht Mitarbeiter und zwei Auszubildende sind in der Brauerei beschäftigt. Fast wöchentlich kommen neue Helfer auf den Hof, die mit "Work and Travel" durch Europa reisen. Auch Jim Barnes kam so vor etwa zwei Jahren von New York nach Franken. Er arbeitete in der Brauerei, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. "Franken war mein Traum", sagt Barnes. "Ich liebe die fränkische Gemütlichkeit. Mein Herz war immer hier." Er blieb. Seit September besucht er die Berufsschule. Er wohnt bei der Familie, gemeinsam sitzen alle jeden Mittag am Küchentisch. Nur ein eigenes Bier - "Jim's Dream" oder so - das hat er noch nicht.

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Quelle:
SZ vom 19.12.2019
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