Süddeutsche Zeitung

Grenze zu Österreich:Nach Pushback-Verdacht: Bundespolizei korrigiert Statistik

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Menschenrechtsorganisationen werfen der Behörde vor, Asylsuchende illegal nach Österreich zurückzuschieben. Dabei stützen sie sich auf Zahlen der Bundesregierung - die offenbar falsch sind.

Von Thomas Balbierer

Nach den Pushback-Vorwürfen mehrerer Menschenrechtsorganisationen gegen die Bundespolizei hat die Behörde zentrale Asylzahlen in einer vom Bundesinnenministerium herausgegebenen Statistik als "fehlerhaft" bezeichnet. Wie eine Sprecherin auf SZ-Anfrage mitteilte, sind im November und Dezember 2022 an der Grenze zu Österreich nicht nur 32 Asylgesuche von Migrantinnen und Migranten registriert worden, so wie es im Februar in einer Antwort des Innenministeriums auf eine Bundestagsanfrage der Linken vermerkt wurde. Stattdessen habe es in den beiden Monaten insgesamt 582 Asylgesuche an der bayerisch-österreichischen Grenze gegeben.

Wie der Fehler zustande kam, ist unklar, es könnte sich um einen Übertragungsfehler handeln, so eine Sprecherin. In der Regel werden Antworten auf parlamentarische Anfragen einer Qualitätsprüfung unterzogen, sie dienen Politikern, Verbänden und Medien als wichtige Arbeitsgrundlage. Die Zahlen sollen nun korrigiert werden. Sie sind deshalb relevant, weil Organisationen wie der Bayerische Flüchtlingsrat darauf ihren Verdacht stützen, dass die Bundespolizei Asylsuchende systematisch nach Österreich zurückschiebe - ohne ihr Asylgesuch zuvor durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüfen zu lassen. Das wäre rechtswidrig. Die Bundespolizei weist diesen Vorwurf zurück.

Der Flüchtlingsrat hatte gemeinsam mit zwei weiteren NGOs Berichte von mutmaßlichen Pushback-Betroffenen öffentlich gemacht, die um Asyl ersucht haben und trotzdem ohne Prüfung nach Österreich zurückgeschoben worden sein sollen. Die Vorwürfe wurden mit der offiziellen Statistik untermauert. Demnach hätten im November und Dezember 2022 von mehr als 5000 unerlaubt Eingereisten nur 0,6 Prozent ein Asylgesuch artikuliert. Was auch Experten als eklatante Diskrepanz bezeichneten. Nach der Korrektur liegt die Quote bei 11,2 Prozent.

"Dieser Vorgang stützt die Glaubwürdigkeit der Bundespolizei nicht", kritisiert Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat das Zahlenwirrwarr. "Es ist bedenklich, wenn Zahlen, die das Bundesinnenministerium herausgibt, grob falsch sind." Die korrigierte Statistik ändere aber nichts daran, dass Tausende Personen aus den häufigsten Asylherkunftsländern, zum Beispiel Syrien, nach Österreich zurückgeschoben wurden - angeblich ohne Asylgesuch. So viele Zurückweisungen, davon ist der Flüchtlingsrat weiterhin überzeugt, könnten "nicht legal erfolgen". Die Bundespolizei erklärt, es werde "in jedem Fall darauf geachtet", ob Einreisende ein Schutzgesuch äußern.

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