Süddeutsche Zeitung

Parteireform:CSU wirbt um Frauen und Junge

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Selbstzufriedenheit ist ein Wesensmerkmal der CSU. Sie sieht sich als stolze "Bürgerbewegung". Dennoch sind auch bei den Christsozialen wichtige Bevölkerungsgruppen unterrepräsentiert. Eine Parteireform soll das ändern, zum Beispiel mit einer kostenlosen Probe-Mitgliedschaft.

Von Robert Roßmann, Berlin

Der Minderwertigkeitskomplex ist in der CSU so weit verbreitet wie die Demut beim FC Bayern. Das wird sich auch an diesem Montag wieder zeigen. Dann soll der CSU-Vorstand den Leitantrag für eine Parteireform billigen. Elf Seiten ist der Entwurf stark. Und schon die ersten Zeilen beweisen, dass es die Partei an Selbstzufriedenheit locker mit Karl-Heinz Rummenigge und Matthias Sammer aufnehmen kann.

"Die Christlich-Soziale Union ist als echte Volkspartei die Bürgerbewegung für Bayern und für die deutsche und europäische Politik", heißt es da. "Unser Leitbild ist die Koalition mit den Bürgern." Auftrag der CSU sei es, "den Erfolgsweg Bayerns zu gestalten, für erstklassige Lebensbedingungen in allen Regionen ... zu sorgen und den jungen Menschen beste Zukunftschancen zu eröffnen." Unter erstklassig macht es die CSU halt nicht.

Dass der Leitantrag trotzdem interessante Lektüre ist, liegt an den folgenden Seiten. Die CSU plant eine Parteireform: Ihre Mitglieder sollen sich künftig leichter und intensiver beteiligen können. "Ein Ziel ist es, mehr Frauen, Junge und Einwanderer in die Partei zu bekommen", sagte Generalsekretär Andreas Scheuer der SZ.

Nur fünf Prozent der Mitglieder sind unter 30

Verglichen mit den beiden anderen Volksparteien geht es der CSU zwar noch einigermaßen gut. Die Christsozialen sind seit der Wiedervereinigung lediglich um 20 Prozent geschrumpft. Bei SPD und CDU ist die Zahl der Mitglieder doppelt so stark gesunken. Das macht die Lage der CSU aber noch lange nicht rosig. Nur fünf Prozent ihrer Mitglieder sind unter 30, das Durchschnittsalter liegt bei knapp 60. Und der Frauenanteil ist mit nicht einmal 20 Prozent deutlich niedriger als bei den Konkurrenten.

Um die CSU attraktiver zu machen, sieht der Leitantrag für den Parteitag im Dezember ein ganzes Bündel an Veränderungen vor. "Dazu gehört zum Beispiel eine Online-Mitgliedschaft", sagt Scheuer. Außerdem werde die CSU-Spitze "bei wichtigen Themen künftig die Meinung der Mitglieder erheben, dazu wollen wir sie bitten, online auf aktuelle Fragen zu antworten".

Mitglieder sollten sich auch "parallel zu den klassischen Parteistrukturen einbringen können", zum Beispiel zu Schwerpunkt-Themen wie der Gesundheitspolitik. "Wir wollen Online-Konten für unsere Mitglieder einführen, über die diese bestimmen können, über was sie informiert werden - und bei welchen Themen sie sich beteiligen wollen", sagt Scheuer. Um für Einwanderer attraktiver zu werden, werde die CSU einen "Arbeitskreis Integration und Migration" gründen. Außerdem solle eine kostenlose zweijährige Probemitgliedschaft eingeführt werden.

Damit will die Partei das große Potenzial ihrer Arbeitsgemeinschaften ausschöpfen. Die Junge Union (JU) hat 27 000 Mitglieder, von denen aber nur 28 Prozent in der CSU sind. Von den 25 000 Damen in der Frauen Union (FU) sind lediglich 41 Prozent in der Partei.

Mit dem Probe-Angebot hofft Scheuer, deutlich mehr Mitglieder von JU, FU und Seniorenunion zu einem Beitritt in die CSU bewegen zu können. Die Probemitgliedschaft soll deshalb aber auch nur Mitgliedern dieser drei Arbeitsgemeinschaften erlaubt werden.

Auch SPD und CSU setzen auf mehr Mitgliederbeteiligung

Mit ihrer Reform folgt die CSU einem Trend. CDU-Generalsekretär Peter Tauber hat bereits angekündigt, seine Partei durch bessere Mitbestimmungsmöglichkeiten "jünger, weiblicher und bunter" machen zu wollen. Und die SPD beteiligt ihre Mitglieder schon seit Jahren auch an größeren Entscheidungen.

In Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind Torsten Albig und Stephan Weil durch SPD-Mitgliederentscheide Spitzenkandidaten und dann Ministerpräsidenten geworden. In Berlin wird Michael Müller dank eines Basisvotums Regierender Bürgermeister. In Sachsen und Thüringen haben die Genossen gerade über den Koalitionsvertrag beziehungsweise die Aufnahme rot-rot-grüner Verhandlungen abstimmen dürfen. Und vor einem Jahr konnten die SPD-Mitglieder sogar im Bund über den Koalitionsvertrag entscheiden.

So weit will die CSU-Spitze nicht gehen. "Wir wollen erfolgreich bleiben, deshalb müssen wir uns fit für die Zukunft machen", sagt Scheuer. Mitgliederentscheide über Koalitionsverträge oder Spitzenkandidaten plant die CSU-Spitze jedoch weiterhin nicht. Aber die Partei war ja auch schon früher ambivalent. Franz Josef Strauß riet seiner CSU, dem Volk aufs Maul zu schauen - und erklärte trotzdem gern: "Vox populi vox Rindvieh."

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Quelle:
SZ vom 10.11.2014
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