Süddeutsche Zeitung

Urteil am Verwaltungsgerichtshof:Beschlagnahmung von Neonazi-Treffpunkt in Oberprex war rechtswidrig

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Mit dem Verbot der rechtsextremistischen Vereinigung "Freies Netz Süd" hat der Freistaat auch ein Haus in Oberfranken beschlagnahmt. Neonazis hatten dort einen Versandhandel mit einschlägigen Devotionalien betrieben.

Von Olaf Przybilla, München/Oberprex

Die Beschlagnahmung einer von Rechtsextremisten genutzten Immobilie im oberfränkischen Oberprex (Kreis Hof) war rechtswidrig. Das hat nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden. Die Immobilie war 2014 ins Eigentum des Freistaats übergegangen. Hintergrund war das Verbot des "Freien Netz Süd", einer rechtsextremistischen Gruppierung. Ein in der Gruppe aktiver Neonazi hatte in Oberprex einen Versandhandel mit einschlägigen Devotionalien betrieben.

Geklagt hatte die Mutter dieses Aktivisten, die seit 2010 Grundstückseigentümerin in Oberprex war. Sie hatte das Gebäude an ihren Sohn vermietet, der die Räume unter andrem für rechtsextremistische Veranstaltungen genutzt hatte. Die Frau hatte vor Gericht argumentiert, ihr seien die politischen Aktivitäten ihres Sohnes nicht bekannt gewesen. Sie war nicht für den Einzug entschädigt worden. Das Verwaltungsgericht Bayreuth hatte die Enteignung in erster Instanz für rechtmäßig erklärt. Der Verwaltungsgerichtshof hat das nun aufgehoben.

Die Klägerin war dazu befragt worden, was sie über die Nutzung des Anwesens gewusst habe. Demnach gehe das Gericht zwar nicht davon aus, dass ihr die "vielfach medial aufbereitete rechtsextremistische Betätigung ihres Sohnes verborgen geblieben" sein könnte. Es sei aber zweifelhaft, ob ihr nachzuweisen sei, dass sie von der Nutzung durch das mittlerweile verbotene "Freie Netz Süd" gewusst habe. Auch sei der Einzug eines Anwesens, das durch Dritte zu verfassungswidrigen Zwecken genutzt wird, im Rahmen eines Vereinsverbots lediglich unter engen Voraussetzungen zulässig. So hätte der Frau bekannt sein müssen, dass dahinter eine Vereinigung stehe. Das sei aber beim "Freien Netz Süd", das laut Verfassungsschutz "konspirativ" tätig war, nicht eindeutig gewesen. Die SPD kritisierte Verfassungsschutz und Regierung. Mit der Einschätzung, der Netzwerk sei konspirativ tätig gewesen, habe man sich "selbst ein Ei gelegt". Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen. Dagegen kann noch Beschwerde eingelegt werden.

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SZ vom 02.07.2020
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