Süddeutsche Zeitung

Konzertsaal in Nürnberg:Schmerzvolle, aber gerechte Entscheidung

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Die Pläne für den erst mal gescheiterten Konzertsaal stammen aus dem Jahr 2013. Damals war die Finanzsituation Nürnbergs im Aufschwung. Die Pandemie hat nun alles geändert.

Kommentar von Olaf Przybilla

Schade fast, dass man keine Wettbüros kennt, in denen auf das Ende von Großprojekten gesetzt werden kann - ein Einsatz aufs vorläufige Aus der Nürnberger Konzerthalle wäre wohl lukrativ gewesen. Und das spätestens nach dem Aus Nürnbergs als europäische Kulturhauptstadt. Zwar wurde in den Bewerbungsunterlagen das Thema "neuer Konzertsaal" nur klein gespielt - keiner in der Jury sollte den Eindruck bekommen, dass das eine etwas mit dem anderen zu tun hat. Trotzdem war es abzusehen: Bekommt Nürnberg den Zuschlag für 2025, so wird man sich - Haushaltskrise hin oder her - von so einem Vorzeigeprojekt kaum verabschieden, schon aus Imagegründen. Falls aber nicht, sind die hochfliegenden Pläne bald Makulatur.

Und das ist gut so. Ja, die Freunde klassischer Musik haben recht, dass Gustav Mahler in der Meistersingerhalle nicht auf jedem Sitz so klingt, wie Mahler in einem Konzerthaus klingen sollte. Und die Argumentation war auch nachvollziehbar, dass man die beiden großen Kommunen Bayerns in Sachen kultureller Infrastruktur schwerlich so behandeln darf, als sei die eine Stadt, die andere Land. Steuern werden, so verblüffend sich das mitunter für den einen oder anderen Bewohner der Landeshauptstadt anhören mag, tatsächlich auch in den Teilen Bayerns außerhalb Münchens gezahlt.

Trotzdem ist die Entscheidung, dieses Projekt nun auf Eis zu legen, richtig - so schmerzhaft sie ist. Die Pläne stammen aus dem Jahr 2013, damals sah es so aus, als würde die Finanzsituation Nürnbergs kontinuierlich besser werden. Also genehmigte man sich mal etwas unter freundlicher Mitwirkung von Horst Seehofer. Corona konnte da keiner vorhersehen.

Aber ist es nicht ungerecht, dass nun die Kultur bluten muss für eine alle Gesellschaftsbereiche treffende Pandemie? Nein, ist es nicht. In Nürnberg stehen riesige Kulturprojekte ins Haus oder sind bereits im Gange: Opernhaussanierung, Erweiterung des Doku-Zentrums, Modernisierung des Memoriums Nürnberger Prozesse, Wandlung der NS-Kongresshalle zum Kulturort. Das alles wird immens Geld kosten, ein Verzicht wäre schwer erträglich. Konzertfreunden dagegen ist es zuzumuten, 60 Kilometer weit zu fahren, um Gustav Mahler in exquisiter Konzertsaalqualität zu hören. In Bamberg.

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Quelle:
SZ vom 18.11.2020
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