Süddeutsche Zeitung

Nürnberg:Der Po-Grapscher vom Wöhrder See ist gefasst

Lesezeit: 2 min

Von Olaf Przybilla, Nürnberg

Der Wöhrder See ist das zentrale Naherholungsgebiet in Nürnberg, nirgendwo anders sind häufiger Jogger unterwegs. Seit Sommer 2015 aber lief dort vor allem abends die Angst mit, insgesamt 43 Mal wurden Frauen von einem Fahrradfahrer unsittlich berührt. Der Grapscher ging immer auf dieselbe Art vor: Er näherte sich den Joggerinnen von hinten, betatschte sie im Fahren und verschwand um die Ecke.

Die Ermittler hatten schlechte Karten: Mal sollte der Mann den Beschreibungen zufolge etwa 20 Jahre alt gewesen sein, mal mindestens 40, über Größe, Statur und Haarfarbe des Täters gab es ebenso unterschiedliche Angaben wie über dessen vermutete Nationalität. Für präzisere Angaben ging alles viel zu schnell. Ehe sich die Frauen bewusst wurden, was da gerade passiert ist, war der Radler wieder weg.

Nun aber haben die Ermittler einen 32-jährigen Mann gefasst. Fünf Fälle glauben sie ihm mit "absoluter Sicherheit" nachweisen zu können, weitere vier soll er wahrscheinlich begangen haben, bei anderen Fällen laufen die Untersuchungen.

Die Fälle waren über Monate Tagesgespräch in Nürnberg, für den Fahndungserfolg musste die Polizei enormen Aufwand betreiben. Schließlich schienen die Voraussetzungen für die Ermittler denkbar ungünstig zu sein: Das Ufer des Sees, im Osten der Stadt gelegen, erstreckt sich über 2,5 Kilometer, der Grapscher schlug an verschiedenen Orten zu. Viele Stellen am Ufer sind schlecht beleuchtet, es gibt zahlreiche Pfade, die zum Ufer führen und an denen abends gar kein Licht brennt. Fast wie geschaffen als Fluchtweg.

Und ausschließlich auf den Abend konnten sich die Fahnder auch nicht konzentrieren: Mal schlug der Täter morgens zu, mal mittags, mal am Wochenende, mal werktags, "es gab keinen örtlichen oder zeitlichen Schwerpunkt", sagt Heinz Hegendörfer, Leiter der Inspektion Nürnberg-Ost. Und seit die Polizei Frauen dazu aufgerufen hatte, sich den Mann und sein Radl möglichst gut einzuprägen, Bekleidung, Statur, Besonderheiten, konnte sie auch Trittbrettfahrer nicht mehr ausschließen.

Besonders hatten die Ermittler darum gebeten, dass betroffene Frauen überhaupt Anzeige erstatteten, in allen vergleichbaren Fällen. Und ihre Joggingkleidung keinesfalls waschen sollten, bevor sie die Spurensicherung auf genetisches Material untersucht hat.

Letzteres hat nun wohl zum Erfolg geführt: In fünf Fällen konnten Ermittler genetisches Material des mutmaßlichen Täters feststellen. Festgehalten werden konnte der 32-Jährige am 29. September. Zwar waren an dem Abend auch Polizistinnen in Zivil am See unterwegs, als Joggerinnen getarnt. Erfolgreich aber waren die Ermittler, nachdem ein Zeuge einen Übergriff eines Radfahrers auf eine Privatperson beobachtet und über sein Handy gemeldet hatte. An dem Abend waren am See überall zivile Ermittler unterwegs, Beamte eines Unterstützungskommandos auf Fahrrädern.

Ihnen gelang es, den 32-Jährigen festzuhalten. Zwei weitere Zeugen bestätigten, dass der Mann eine Frau von hinten betatscht haben soll. Die betroffene Joggerin dagegen habe sich noch nicht gemeldet, sagt Oberstaatsanwältin Anita Traud.

Sie bittet die Frau, dies unbedingt noch zu tun. Rein strafrechtlich ermittle man wegen "Beleidigung" mit jeweils sexuellem Hintergrund, das seien Antragsdelikte, bei denen die Staatsanwaltschaft auf Strafanzeigen angewiesen sei. Der 32-Jährige wurde nur vorläufig festgenommen, inzwischen befindet er sich wieder auf freiem Fuß. Er bestreitet die Taten, als er gefasst wurde, war er alkoholisiert. Ein Haftgrund liege bei der zu erwarteten Strafe nicht vor, erklärt die Staatsanwaltschaft.

Am Wöhrder See werde die Polizei nun auch weiter stark präsent sein, sagt Inspektionsleiter Hegendörfer, zumal nicht klar sei, ob es weitere Täter gebe. Der See gilt immer schon als beliebter Naherholungsort in Nürnberg. Seit aber an beiden Ufern Strände angelegt wurden und im vergangenen Sommer sogar eine Badebucht eröffnet wurde, ist der See bei Freizeitsportlern besonders begehrt.

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Quelle:
SZ vom 03.11.2016
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