Süddeutsche Zeitung

Nürnberg in der Pandemie:Höchste Zeit, den Christkindlesmarkt abzusagen

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Nürnberg hält immer noch an seinem traditionellen Markt fest. Man möchte trotz Corona "ein wenig Normalität" ermöglichen, heißt es. Die Stadtspitze hat nicht verstanden, was auf dem Spiel steht.

Kommentar von Clara Lipkowski, Nürnberg

Die Stadt München hat den Christkindlmarkt abgesagt. "Die Infektionszahlen lassen mir keine andere Wahl", teilte Oberbürgermeister Dieter Reiter am Dienstag mit. Nürnberg hingegen hält an seinen Plänen fest - noch. Dort schickt Reiters Amtskollege Marcus König den Wirtschaftsreferenten Michael Fraas vor, um die Pläne zu bekräftigen. Dabei wäre es höchste Zeit für König, dass er sich hinstellt und das Unvermeidliche verkündet: Auch der Nürnberger Christkindlesmarkt muss ausfallen, um Schlimmeres zu verhindern.

Das Konzept klingt ja eigentlich schlüssig: Der traditionelle Christkindlesmarkt findet nicht konzentriert auf dem Hauptmarkt statt, sondern wird verkleinert und auf die Altstadt verteilt. Glühweinbuden werden als 2-G-Orte ausgelagert. "Kontrolliertes Geschehen unter freiem Himmel" nannte Fraas das, und wie er das alles am Montag so schilderte vor versammelter Presse, hätte man sich fast gewünscht, dass es so einfach wäre.

Doch ähnlich wie in München würde auch der Nürnberger Christkindlesmarkt Hunderttausende Gäste anziehen. Sie würden sich durch die engen Altstadtgassen schieben, die schon zu normalen Samstagen oft dicht sind. Noch dazu müssten die Menschen erst in die Stadt gelangen: Gedränge in vollen Zügen, Bussen und U-Bahnen wäre die Folge - und ein enormes Ansteckungsrisiko. Eine solche Großveranstaltung lässt sich nicht rechtfertigen. Gerade jetzt, wo die Covid-19-Inzidenz täglich auf neue Rekordwerte steigt, sich Impfdurchbrüche häufen, Booster-Impfungen nur schleppend laufen, Menschen sterben und viel zu viele noch ungeimpft sind.

Erst recht nicht lässt sich der Christkindlesmarkt damit rechtfertigen, dass man denen, die einkaufen, und vor allem jenen, die verkaufen, "ein wenig Normalität" ermöglichen wolle, wie es Fraas formulierte. Zum einen schiebt die Stadt mit dieser Begründung die Händlerinnen und Händler vor, die die Hauptleidtragenden sind. Dabei müssten sie für den Umsatzausfall entschädigt werden. Zum anderen: Gerade jetzt herrscht eben keine Normalität. Die Krankenhäuser arbeiten am Limit. "Die Lage spitzt sich immer mehr zu", sagt eine Sprecherin des Nürnberger Klinikums. Ein Christkindlesmarkt wäre eine Zumutung für das Personal. Hoffentlich erkennt das auch die Nürnberger Stadtspitze.

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