Süddeutsche Zeitung

Landgericht Nürnberg-Fürth:Sicherheitsmitarbeiter wegen Vergewaltigung in Asylunterkunft zu zehn Jahren Haft verurteilt

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Zwei Frauen hat der Mann in vier Jahren insgesamt 67 Mal zum Geschlechtsverkehr gezwungen und eine weitere Bewohnerin sexuell belästigt. Er selbst bestreitet weiter alle Vorwürfe.

Von Max Weinhold, Nürnberg

Im Prozess um dutzende Fälle der Vergewaltigung in einer Nürnberger Asylbewerberunterkunft für Frauen hat das Landgericht Nürnberg-Fürth am Montag einen früheren Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes zu zehn Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass er zwei Frauen zwischen September 2018 und April 2022 insgesamt 67 Mal zum Geschlechtsverkehr gezwungen und eine weitere Bewohnerin sexuell belästigt hat. Ursprünglich angeklagt waren 77 Fälle der Vergewaltigung - allerdings ließ sich die genaue Zahl der Taten nicht mehr nachvollziehen, was das Gericht zugunsten des Mannes auslegte.

Die Staatsanwaltschaft hatte für den 54-Jährigen 13 Jahre Haft gefordert, die Nebenklagevertreter der vergewaltigten Frauen lediglich einen Schuldspruch, ohne eine Höhe der Strafe zu nennen -und der Verteidiger des Angeklagten einen Freispruch. Aus seiner Sicht waren die Aussagen von Zeugen und Opfern zu widersprüchlich, als dass ohne jeden Zweifel feststünde, dass sein Mandant die Taten wirklich begangen habe, sagte er im SZ-Gespräch. Er stellte auch die Glaubwürdigkeit jener Frau in Frage, an der sich der Mann in 62 Fällen verging.

Die Vorsitzende Richterin Barbara Reim widersprach dem Verteidiger in ihrer Urteilsbegründung, während der Angeklagte unentwegt den Kopf schüttelte. Die Aussage der Frau sei immerzu dieselbe gewesen, "in sich schlüssig" und "plausibel". So habe sie sich etwa an Details erinnern können, wie die Farbe von verwendeten Kondomen.

Auch hielt das Gericht für nachvollziehbar, warum sie ihre Vorwürfe erst einige Zeit nach ihrem Auszug aus der Unterkunft erhoben hat: Sie habe - einerseits aufgrund der Autorität des Mannes als beliebter und anerkannter Mitarbeiter des Heims, andererseits aufgrund ihrer Sprachprobleme - angenommen, man würde ihr nicht glauben. Außerdem habe der Mann gedroht, er könne dafür sorgen, dass das Jugendamt ihr den Sohn wegen ihres Alkoholkonsums wegnehme. Von ähnlichen Drohungen berichtete auch das zweite Opfer.

Zudem hätten die Frauen ein ähnliches Vorgehen bei den zeitweise wöchentlichen, "gleichförmigen, ritualisierten" Vergewaltigungen geschildert. So habe der Mann seinen Opfern etwa mit Klopfzeichen bedeutet, sie sollten sich für ihn frisch machen.

Für unglaubwürdig erachtete das Gericht dagegen die Erzählung des zweifachen Vaters, die Frauen hätten sich gegen ihn verschworen. Auch Zeugen aus der Unterkunft, die den Angeklagten vermeintlich entlasteten, glaubte das Gericht nicht. Ihre Aussagen hätten "wie abgesprochen" gewirkt, sagte Reim. Gegen zwei von ihnen wurde Anzeige wegen Falschaussage erstattet.

Auch sonst sah das Gericht für eine Absprache der drei Frauen zulasten des Angeklagten keine Ansatzpunkte. Stattdessen sei der Mann, den sie belastete, für den Sohn einer der Frauen sogar "eine wichtige Bezugsperson" gewesen. Aufgeflogen war er, als er nach dem Aufkommen der Vergewaltigungsvorwürfe selbst eine der Frauen wegen Verleumdung anzeigte. Die Polizei ermittelte und sah den Mann bald nicht mehr als Opfer, sondern als Verdächtigen - wie im Übrigen einen ehemaligen Kollegen, gegen den die Staatsanwaltschaft wegen sexueller Belästigung in einem minderschweren Fall ermittelt.

Am Montag ergriff der Angeklagte erstmals ausführlicher das Wort, nachdem er in dem seit Ende Oktober laufenden Prozess zunächst geschwiegen und später nur einzelne Fragen beantwortet hatte. Er bestritt - unter Ausschluss der Öffentlichkeit, was das Gericht für die Dauer der Plädoyers wegen darin enthaltener intimer Details aus dem Leben der vergewaltigten Frauen angeordnet hatte - seinem Verteidiger zufolge einmal mehr alle Vorwürfe. Dieser kündigte an, in Revision zu gehen.

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