Süddeutsche Zeitung

Neue Heimat:Bayern sind nur zweitklassige Hexen

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Riesenbabys im Strampelanzug und hölzerne Masken: Unser nigerianischer Autor beobachtet neugierig die bayerischen Faschingsbräuche. Und ist doch etwas enttäuscht.

Kolumne von Olaleye Akintola

Als Student des bayerischen Alltags kann man sich nie sicher sein, ob man einmal den Abschluss schafft. Eine Lektion aber habe ich gelernt: Man muss das Leben auch mal ernstfrei behandeln, weil man eh nicht lebendig rauskommt. In Bayern machen sie keine Kompromisse, wenn es um ihren Spaß an der Freude geht. Egal, ob auf einem Festival mit Zelten oder verkleidet auf der Straße: Der Kreislauf des Genusses hört nie auf.

Die Menschen in diesem Land gelten als Meister im Feste feiern. Zum Beispiel beim Fasching. Wer auch immer die Kostüme und Masken herstellt, beherrscht sein Handwerk. Diese Stadt, die oft so abgeklärt daher kommt, ist plötzlich gaga und wird von Supermännern, Polizistinnen und Riesenbabys im Strampelanzug verziert. Chefs geben Angestellten frei, viele lechzen diesem Irrsinn hinterher.

Nun aber geht es ja nicht nur um die Kostüme. Es ist die Chance, einmal im Jahr garstig zu sein und absurde Fantasien auszuleben. Besonders wichtig: Fasching bietet die erste Gelegenheit des Jahres, sich dem Bierdurst hinzugeben. Sehr verständlich, dass viele Bayern diese Zeit gerne verbringen.

Ich habe den Fasching vergangenes Jahr äußerst genossen. Bis zu dem Tag der "Allemannischen Fastnacht". Da sah ich Leute mit hölzernen Masken und langen Zöpfen. Ganz offensichtlich wollten sie Hexen und Geister imitieren, um die bösen Mächte des Winters zu vertreiben. Maskiert zu irgendeinem Chartlied herumhopsen und Leuten die Hände schütteln? Welch zweitklassige Hexen diese Bayern doch sind. Bei allem guten Willen, das flößt nicht einmal der kleinsten Schneeflocke Respekt ein.

An diesem Punkt wurde ich nostalgisch. Auf der Hexer-Maskerade in Danafojura nahe meiner Geburtsstadt Oyo lassen die Menschen ihre Gesichter brennen. Oder der Calabar Karneval, wo Frauen oben ohne rumlaufen. Und dann ist da noch das Ughieven-Festival in Urhobo, wo Jungfrauen einen Tanz aufführen. Wahrscheinlich wäre es dafür in München zu kalt - vielleicht bleiben die Leute deshalb lieber in ihrem Kostüm und wärmen sich mit Alkohol.

Übersetzung aus dem Englischen: Korbinian Eisenberger

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Quelle:
SZ vom 02.02.2018
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