Süddeutsche Zeitung

Nach dem Parteitag:CSU spekuliert über Seehofers Zukunft

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Von Wolfgang Wittl, München

Es hätte ein interessantes Wiedersehen werden können am Montag in Hamburg - nur drei Tage nach dem legendären Auftritt von München. Sowohl Angela Merkel als auch Horst Seehofer hatten sich vorgenommen, Helmut Schmidt in einem Staatsakt die letzte Ehre zu erweisen. Doch während die Kanzlerin kam, sagte Seehofer kurzfristig ab. Der bayerische Ministerpräsident nehme am Montag überhaupt keine externen Termine wahr, verlautete aus der CSU. Am Dienstag soll Seehofers Politikerleben dann wieder seinem üblichen Lauf folgen: vormittags mit einer Kabinettssitzung in der Staatskanzlei, mittags eine Zusammenkunft der Landtagsfraktion, danach Plenum im Landtag. Das zumindest ist der kurzfristige Plan.

Mancher fragt sich allerdings bereits, wie es nach diesem einprägsamen Parteitag um Seehofers mittelfristige Zukunft bestellt ist. Welche Auswirkungen ergeben sich aus dem Ergebnis, das mit 87,2 Prozent sein schlechtestes als CSU-Chef geworden ist? Der Streit mit Markus Söder, Merkels Belehrung auf offener Bühne, das Gezänk mit der Landtagsfraktion um den Bau einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen - die Gründe waren schnell gefunden. Dass Seehofer nun aber zu einer lame duck, zu einer lahmen Ente mutiere, glauben nicht einmal seine Kritiker.

Als gesicherte Erkenntnis gilt in der CSU: Seehofers Stand in Berlin hat sich nach diesem Wochenende nicht verbessert. Schon zuletzt fiel es ihm schwer, sich gegen Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel durchzusetzen. Der Auftritt vom Freitag tut sein Übriges. Dabei hatte Seehofer seine Leute vorher eindringlich gebeten, bloß keinen Eklat bei Merkels Besuch zu provozieren. Am Ende war er es selbst, der es dazu kommen ließ. Dass er der Rede der Kanzlerin etwas entgegensetzen habe müssen, sei doch klar, sagen Vertraute des CSU-Vorsitzenden. Ob Seehofer die Kritik indes noch einmal in dieser Form und Länge zelebrieren würde, darüber herrschen inzwischen Zweifel. Merkel jedenfalls werde diesen Abend nicht vergessen.

Trotzdem bleibt Seehofer derjenige in der CSU, dem man zutraut, die Interessen über Bayern hinaus am besten zu vertreten. Spannender wird die Frage, wie sich die Partei intern sortiert. Seehofer werde sich wieder mehr mit den Gremien arrangieren müssen, vor allem mit der Landtagsfraktion, vermutet ein erfahrener CSU-Mann. Eine der Lehren des Parteitags: Seehofer könne die Partei nicht mehr befehligen wie bisher, sein Verlust von mehr als acht Prozent beweise, dass die Partei nicht mehr alles hinnehme. Sollte der CSU-Chef nicht kompromissbereiter werden, habe er "zwei schwierige Jahre vor sich".

Dass Seehofer 2017 nicht mehr als CSU-Vorsitzender antreten wird, hat er am Wochenende bekräftigt. Wie auch seinen Willen, die Amtszeit als Ministerpräsident bis zu ihrem Ende 2018 voll auszufüllen. Die "Unsitte", dem Wählerauftrag aus parteitaktischen Motiven nicht nachzukommen, lehne er ab, betonte Seehofer. An diesem Satz lässt sich zweierlei ableiten: Seehofer ist nicht bereit, seinem derzeit aussichtsreichsten Nachfolger Markus Söder einen Startbonus zu überlassen. Und er baut noch mehr auf seine von ihm proklamierte Koalition mit der Bevölkerung.

Beim Parteitag verwies Seehofer - bei Umfragen ansonsten ein Skeptiker - plötzlich auf Werte, die seine Beliebtheit an der Basis spiegeln sollen: 89 Prozent Zustimmung genieße er bei CSU-Mitgliedern, 75 Prozent in der Bevölkerung. Solche Zahlen sind für ihn der beste Schutz, sollte in der CSU jemand auf die Idee kommen, ihn früher ablösen zu wollen. Gerade Mitglieder jenseits der Funktionärskaste halten Seehofer noch für unersetzlich. Kein anderer in der CSU verstehe es, Menschen außerhalb der Partei so gut einzubinden. Mancher am Parteitag beantwortete die Nachfolgefrage daher nicht mit Söder, Ilse Aigner oder Manfred Weber, sondern mit: Seehofer.

Sollte das auch in zwei Jahren so sein, hätte er beim Generationswechsel versagt, sagt Seehofer. Und doch wird er diese Stimmung für sich nutzen, um wie erhofft ins Ziel zu kommen. Dass sein größter Widersacher beim Parteitag eifrig beklatscht wurde, ist Seehofers Leuten zwar nicht entgangen. Andererseits habe Söder bei der Wahl der Bezirksvertreter mit 513 Stimmen nur drei Stimmen mehr bekommen als beim letzten Mal.

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Quelle:
SZ vom 24.11.2015
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