Süddeutsche Zeitung

Mitten in Würzburg:Zoff über die alte Politriege

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Gut zwei Jahrzehnte lang hat sich Klaus Zeitler als SPD-Oberbürgermeister verdient gemacht. Danach war er mal Mitglied bei den Republikanern. Vor einem halben Jahr ist er gestorben. Nun will die AfD eine Straße nach ihm benennen. Das bedeutet: Ärger

Glosse von Olaf Przybilla

Erst eine gute Generation ist es her, dass Würzburgs Kommunalpolitik prall war wie ein Bocksbeutel. Die Protagonisten jener Epoche waren nicht jung, nicht schwarz und nicht weiblich, legten sich gerne mit der in Bayern dominierenden Partei an, trieben politische Abspaltungen voran, wechselten Fraktionen wie andere Lieblingsrebsorten. Mancher schaffte es, in seiner Stadtratskarriere bei fünf verschiedenen Parteien anzuheuern und dabei eine konsistente Figur abzugeben. Es waren süffige Zeiten.

In der letzten Phase seines politischen Lebens mischte in der Epoche auch Klaus Zeitler mit. Zuvor war daran nicht zu denken gewesen. Mit dem damaligen Oberbürgermeister verband man noch ganz anderes: Zeitler, das war der Recke mit der Hans-Jürgen-Wischnewski-Gedächtnisbrille, der die Konservativen in der dezidiert katholisch geprägten Domstadt als Sozialdemokrat ein Waterloo nach dem anderen erleben ließ; ein Mann des geschliffenen Wortes, den man - schließt man kurz die Augen - sogleich auf jenem Foto sieht, wie er Günter Grass einen Ehrenring überreicht. Wohlgemerkt: elf Jahre, bevor der Nobelpreisträger wurde. Zeitler und Grass - das passte irgendwie.

Wäre da nicht diese andere Phase gewesen, jene nach 1990, nach Zeitlers OB-Ära. Über die kann man sagen: Ach je, der Alte ist damals eben auch aufs Stadtratskarussell nicht mehr ganz taufrischer Würzburger Herren gestiegen, war halt Mode. Tatsächlich war Zeitler nach der Zeit als Sozialdemokrat bei zwei weiteren Parteien zugange. Das Problem ist nur: eine davon waren die "Republikaner".

Vor einem halben Jahr erst ist Zeitler gestorben, da verbieten sich böse Worte. Trotzdem sehen sich gerade viele genötigte dazu. Und zwar seit die AfD vorgeschlagen hat, eine Straße nach dem Alt-OB zu benennen. Das wäre erst 2023 möglich, aber die Nerven liegen jetzt bereits blank.

Würzburg, wo die Grünen längst stärkste Kraft sind, soll allen Ernstes einem huldigen, der bei den Dumpf-Rechten mitmischte - empören sich die einen. Man ziehe das Angedenken an einen in den Schmutz, der sich in 22 OB-Jahren große Verdienste erworben und die Reps nach kürzerer Wirrung wieder verlassen habe - giften die anderen. Für eines ist die alte Politriege von Würzburg offenbar immer noch gut: einen deliziösen Zoff.

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Quelle:
SZ vom 17.05.2021
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