Süddeutsche Zeitung

Nürnberg:Christkind soll mehr arbeiten

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Die Arbeitsbelastung in Deutschland nimmt immer weiter zu: Eine ganz besondere Arbeitnehmerin in Nürnberg soll künftig etwa 24-mal mehr arbeiten als bisher - und das ohne vollen Lohnausgleich.

Von Olaf Przybilla

Die Arbeitsbelastung in Deutschland nimmt dramatisch zu, daran glaubte man sich gewöhnt zu haben inzwischen. Die Bild hat jetzt aber von Plänen erfahren, die einem schier die Sprache verschlagen: Eine Arbeitnehmerin in Nürnberg soll künftig etwa 24-mal mehr arbeiten als bisher, und das ohne vollen Lohnausgleich.

Vorangetrieben werden die Pläne, man hätte es ahnen können, von der Industrie- und Handelskammer. Auswirkung auf die allgemeine Arbeitssituation sind derzeit offenbar zunächst nicht zu erwarten. Nach Aussagen des Nürnberger IHK-Präsidenten, Dirk von Vopelius, sei zunächst nur daran gedacht, eine Saisonkraft in Franken zu dieser besonderen Form der Mehrarbeit anzutreiben. Man verspreche sich davon "eine Weihnachtsbotschaft aus der Stadt der Menschenrechte in die ganze Welt".

Worum es konkret geht

Gut, jetzt mal im Ernst: Der Mann will tatsächlich, dass das Nürnberger Christkind nicht nur einmal pro Saison auf dem Balkon seiner Arbeit nachgeht. Ginge es nach Vopelius, würde es künftig in der gesamten Nürnberger Vorweihnachtszeit heißen: Und täglich grüßt das Christuskind. Kurz mal für zwei oder drei Minuten raus, Prolog runterleiern und dann die Flatter machen in Seniorenheime oder Krankenhäuser, das würde künftig der Vergangenheit angehören.

Und, ehrlich gesagt, der Mann hat doch recht: Es muss alles auf den Prüfstand, das sind hier ja nicht die Achtzigerjahre. Schon beim letzten Auftritt stand man, erinnert man sich da jetzt richtig, in der Nähe der IHK Nürnberg, die ist gleich am Hauptmarkt. Und als das Christkind das, was es offenbar für eine zeitgemäße Performance hält, zum Vortrag gebracht hatte, sagte einer: "Dodale Lowberformerin". Und ja: Innerlich wollte man dem damals fast zustimmen. Nur getraut hat man sich da noch nicht. Überhaupt, man muss nur den Prolog richtig lesen. "Ihr Herrn und Frau'n, die ihr einst Kinder wart, ihr Kleinen, am Beginn der Lebensfahrt, ein jeder, der sich heute freut und morgen wieder plagt: Hört alle zu, was euch das Christkind sagt!" Morgen wieder plagt, genau. Aber für die Vortragende soll das nicht gelten?

Die IHK Nürnberg wurde kürzlich übrigens abgerissen. Mit den Plänen des Präsidenten soll das nichts zu tun haben.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2015
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