Süddeutsche Zeitung

Landleben:Augen auf bei der Wohnsitzwahl

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Wenn "Zuagroaste" sich zu Einheimischen gesellen, kann es schnell knirschen im Miteinander. Zu beobachten ist das immer wieder - vor Gericht.

Kolumne von Johann Osel

An der Stelle mal wieder ein Bericht über die alltäglichen Mühen der Integration in Bayern. Wenn Fremde sich zu Einheimischen gesellen, kann es bekanntlich schnell knirschen im Miteinander, zu sehen ist das oft an Kleinigkeiten. Klar: Wenn ein Landstrich ganze Horden an Neubürgern verkraften muss, werden manche davon sicher versuchen, Ansprüche oder gar eigene Regeln durchzusetzen. Das weiß man nur zu gut im Bayerischen Oberland.

Nein, es geht nicht um Flüchtlinge - sondern um "Zuagroaste", worunter der Bayer erst mal all jene versteht, die nicht aus dem Freistaat oder vielleicht noch aus Österreich stammen. In Landkreisen wie Miesbach und Garmisch-Partenkirchen sind damit alle gemeint, die nicht aus Miesbach oder Garmisch kommen. Im Bühnenschwank um "Zuagroaste" dort läuft nun Akt drei an.

Die ersten beiden Akte amüsierten ein breites Publikum. Da hatte ein Mann in Holzkirchen gegen eine Bäuerin geklagt, weil deren Kühe mit den Glocken viel zu laut bimmeln. Dann kam die Bäckerei-Affäre von Rottach-Egern, ein Neubürger echauffierte sich über den Gestank frischer Semmeln. Nach Kühen und Semmeln jetzt: Kirchenglocken. Im Klosterdorf Weyarn wird mit Verve geläutet, zur Zeitansage auch in der Nacht, zu Anlässen sowieso.

Eine Zuagroaste forderte daher Pater Stefan Havlik auf, das Geläut abzuschaffen, wie der Münchner Merkur berichtet. Der Geistliche erwiderte, der Forderung werde "in dreifacher Weise entsprochen: Nicht, gar nicht und überhaupt nicht". Auf Facebook erfährt er seitdem fulminante Rückendeckung, Lokalpatriotismus blüht. Leute, die "oiwei d'Goschn zum Beschweren offen ham", könne man hier nicht brauchen, liest man.

Einer zitiert den Kabarettisten Fredl Fesl: "In unserm Staat sind alle gleich, doch d'Kirch gehört zum Himmelreich." Augen auf bei der Wohnsitzwahl, spotten andere. Für Pater wie Patrioten bleibt zu hoffen, dass die Querulantin nicht den Rechtsweg einschlägt. Mitunter haben Verwaltungsgerichte schon gegen das Geläut entschieden und die Gemeinden eingebremst.

Wollte es die Kirche mit einer Trotzreaktion versuchen, kann sie freilich den frechsten Facebook-Kommentar als Rat annehmen: Das Kloster solle sich doch noch Kühe mit Glocken zulegen und eine eigene Bäckerei samt Semmelgerüchen.

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Quelle:
SZ vom 04.06.2018
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