Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Die Bayern stagnieren

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Dieses verflixte Virus, es bremst das Wachstum. Sogar das der Bayern selbst. Zum ersten Mal seit vielen Jahren werden die Bayern nicht mehr mehr

Kolumne von Matthias Köpf

Das mit Bayern als Einwanderungsland darf inzwischen als gesichert gelten, und zwar schon deswegen, weil die Bayern insgesamt eine Art Einwanderungsvolk sind. Sie respektive die Bajuwaren sind aber auch nicht alle auf einmal eingewandert, sondern vogelwild durcheinander als Kelten, Römer, Germanen, Franken, Alemannen, Langobarden, Ostgoten und später auch noch in Gestalt zahlloser Preußen unterschiedlichster Herkunft. Im Moment aber scheint das mit der Zuwanderung nicht mehr so recht zu klappen. Auch daran ist natürlich dieses Virus schuld, und das vorläufige Ergebnis ist im Land des scheinbar unaufhaltsam steigenden Lederhosen-Absatzes eigentlich gar nicht vorgesehen.

"Stagnation" lautet das Schreckenswort aus der jüngsten Mitteilung des Innenministeriums. Und selbst das scheint noch geschönt zu sein. Denn in Wahrheit sind die Bayern demnach im ersten Halbjahr 2020 nicht nur nicht mehr mehr geworden, sondern sogar weniger. Um rund 1200 Personen sei die Einwohnerzahl zurückgegangen, heißt es da. Und die verbliebenen 13,12 Millionen Bayern stagnieren miteinander vor sich hin.

Wobei es da intern schon Bewegung gibt. So kamen von Januar bis Juni rund 62 200 echte Eingeborene zur Welt, während etwa 70 900 Bayern gestorben sind. Zumindest daran trägt das Coronavirus aber wohl nur eine Teilschuld, denn das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit verzeichnete bis Mittwoch 2652 Corona-Tote. Der Pandemie samt Grenzschließung, Lockdown und Stillstand der Wirtschaft lastet der Innenminister aber an, dass die Zuwanderung die fehlenden Geburten diesmal nicht mehr ausgleichen konnte. Dabei sind um 9900 Menschen mehr zu- als weggezogen, während nur um 8700 mehr Bayern gestorben sind als geboren wurden. Zusammen gäbe das sogar ein Plus von 1200 Bayern. Dass es insgesamt trotzdem weniger geworden sein sollen, erklärt das Innenministerium gar nicht und das Landesamt für Statistik mit Statistik, speziell mit "buchungstechnischen Abzügen (v. a. Korrekturbuchungen der Kommunen)". Aber vielleicht bucht dem Freistaat ja irgendeine mitfühlende Kommune die fehlenden Bayern einfach wieder drauf. Und um des lieben Wachstums willen am besten sogar noch einen oder zwei dazu.

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Quelle:
SZ vom 24.09.2020
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