Süddeutsche Zeitung

Mitten in Bayern:Allianz gegen das Schweigen

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Nach der Kommunalwahl ging es hoch her in Höchstadt an der Aisch, weil der 2. und 3. Bürgermeister mit den Stimmen der AfD gewählt wurden. Die Allianz gegen Rechtsextremismus forderte Auskunft von den beteiligten Parteien. Und stieß bei den Freien Wählern erstmal auf "ohrenbetäubendes Schweigen"

Kolumne von Olaf Przybilla

Vor mehr als zwei Monaten hat Stephan Doll ein Schreiben an Hubert Aiwanger adressiert. Doll vertritt als Vorsitzender der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg mehr als 380 Mitglieder, darunter Organisationen und Gebietskörperschaften. In dem Schreiben gab die Allianz ihr "Entsetzen" zu erkennen, dass die Wahl des 2. und des 3. Bürgermeisters im fränkischen Höchstadt wohl nur mit den Stimmen der AfD möglich war; noch schlimmer aber: dass die beiden - der eine von der SPD, der andere von der "Jungen Liste", wie sich die kommunalen Parteilosen dort nennen - diese Wahl zum Bürgermeister angenommen haben.

Viel ist passiert seit dieser Wahl. Die SPD hat ein Parteiordnungsverfahren eingeleitet mit dem Ziel, den 2. Bürgermeister aus der Sozialdemokratie auszuschließen. Nach 30 Jahren tue das weh, war zu hören. Doch auch wenn sich einer verdient gemacht habe, gar 18 Jahre lang 2. Bürgermeister war, bleibe den Demokraten in so einem Fall nichts anderes übrig. Nicht immer macht die SPD in Bayern eine maximal glückliche Figur. Da aber hat sie rasch und konsequent gehandelt.

Der 2. Bürgermeister kam dem SPD-Rauswurf dann zuvor. Und wechselte das Lager. Wie der 3. Bürgermeister ist er nun bei der Wählervereinigung "Junge Liste". Und da hatte die Allianz die naheliegende Frage, wie es eigentlich die Freien Wähler halten mit der AfD? Von den Freien aber hörte sie, so schildert es Doll, lediglich "ohrenbetäubendes Schweigen".

Bis die Allianz gegen Rechtsextremismus ihre Fragen in einen offenen Brief umgewandelt hat - verständlich, immerhin ist sie keine Pommesbude, die unterwürfig um Beachtung bettelt. Zehn Wochen, nachdem um Aufklärung gebeten wurde, ist sie nun stolzer Empfänger einer Antwort. Die Junge Liste sei dem Landesverband der Freien Wähler nicht "weisungsgebunden", wollen die FW betont wissen. "Vorgänge", auch personeller Art, lägen dem Landesverband "nicht zwingend vor". Ein bedenkenswertes Argument tragen die Freien vor: "Wenn jede sachgerechte Wahl nachträglich gekippt wird, weil die AfD behauptet, mitgestimmt zu haben, kann kein demokratischer Entscheidungsprozess mehr stattfinden." So kann man argumentieren. Hätte das aber auch gleich tun können.

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SZ vom 16.09.2020
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