Süddeutsche Zeitung

Bauprojekt in Landsberg:Massive Kritik am güldenen Steg

Lesezeit: 4 min

Eine neue Brücke über den Lech soll einen neuen, bestens situierten Landsberger Stadtteil für 1500 Einwohner mit der Innenstadt verbinden. Doch das Projekt wird sechs Millionen Euro mehr kosten als geplant.

Von Florian Fuchs und Johann Osel, Landsberg am Lech

Da ist die herrliche Flussidylle auf der einen Straßenseite, der Lech rauscht monoton, es grünt und blüht im Schatten des steinernen Mutterturms. Von der anderen Seite sind polternde Baggerschübe zu hören, auf dem Areal mit Kränen und viel Matschboden. Selbst vom Aussichtsturm aus, den der Bauträger eigens aufgebaut hat, lässt sich nur erahnen, was hier entstehen soll: eine kleine Stadt in der Stadt, ein Quartier für Wohnen und Gewerbe mitten in Landsberg - "Filetstück" sagt man wohl in der Immobilienbranche dazu. Ein Schaubild am Ausguck gibt zumindest Eindrücke von der Zukunft: Flaneure und Kinder vor modernen Bauten, Wasserspiele, einer trägt ein Kanu, eine Dame streicht ein Cello. "Lebensfreude" verheißt ein Banner. Ausnahmslos freudig wird das Projekt jedoch nicht mehr gesehen in Landsberg. "Es ist schön, dass die Industriebrache endlich bebaut wird, es ist aber in seiner Mächtigkeit ein Projekt, wie wir es noch nie hatten", sagt die Stadträtin und zweite Bürgermeisterin Doris Baumgartl. "Es muss sich doch am Ende alles die Waage halten."

"Urbanes Leben am Papierbach" heißt das Bauvorhaben, eine halbe Milliarde Euro schwer. Doris Baumgartl und Christoph Jell von der Fraktion Unabhängige Bürger für Landsberg kennen sich aus beim Areal der früheren Pflugfabrik, sie haben das Projekt mit beschlossen, erklären Details. Und sie zeigen eine Stelle am Ufer hinterm Mutterturm, wo das Strittigste hinkommt: die Landsberger Elbphilharmonie, überspitzt formuliert. Den Ausdruck hat Oberbürgermeister Mathias Neuner (CSU) ins Spiel gebracht, als die Debatte an Fahrt aufnahm. "Spricht heute noch jemand von den Kosten der Elbphilharmonie? Die ist heute ein Wahrzeichen von Hamburg." Das war im Juli beim "Krisengespräch", wie es die örtliche Presse nannte: Weil eine geplante Brücke eine Kostenexplosion bringt, die viele Bürger nicht verstehen. Ursprünglich war der Lady-Herkomer-Steg mal mit 2,5 Millionen Euro projektiert, dann war er mit 5,3 Millionen Euro kalkuliert, mittlerweile ist man bei 8,6 Millionen Euro angelangt. Der Beitrag des Investors ist vertraglich gedeckelt, auf 1,3 Millionen.

Die "Luxusbrücke" hat die Gemüter erregt und Zorn auf Facebook. "Der Steg ist unnötig wie ein Kropf" oder "Im nächsten Leben werde ich OB, dann kann ich mir auch eine Brücke bauen lassen" - das waren noch harmlosere Sätze. Rasch war der Steg Anlass zur Ablehnung des Projekts an sich: "Drecks Luxuswohnungen als Geldanlage für Starnberger Millionäre." Was tun? "Die Brücke macht zum gegenwärtigem Zeitpunkt zu diesem Preis keinen Sinn", sagt Baumgartl. Jell und sie schlugen vor, den Steg aufzuschieben - kein Problem, weil erste Wohnungen eh nicht vor Ende 2021 beziehbar seien. Wie es zu den Kosten kam, können sich die zwei Stadträte nicht erklären. Schulterzucken. Ein wenig "Aufschlag" ja, aber das? Aktuell habe die Stadt noch 3,3 Millionen Euro an Mehrkosten aufzubringen. "Das wird man im Haushalt für nächstes Jahr spüren und wird darüber reden müssen, was nicht geht, um die Stegkosten aufzufangen", sagt Jell. Und es deute sich an, dass das mit dem Aufschwung nicht ewig so bleibe. Er denkt etwa an das sanierungsbedürftige Inselbad, es bräuchte einen Millionenbetrag und liege den Bürgern sehr am Herzen. Auch würden dringend weitere Sozialwohnungen benötigt. In der Stadt rumort es: Wo wird gespart?

Im Stadtrat gab es dann neulich ein Steg-Votum, mit fünf Gegenstimmen, darunter Jell und Baumgartl. Beobachter rechneten eigentlich mit mehr. Der Steg ist beschlossene Sache: kein Aufschub. Und auch keine Nachverhandlung mit dem Investor, wie oft gefordert. OB Neuner versteht die Kritik nicht. "Es ist ärgerlich, wenn der Steg nun teurer wird als ursprünglich veranschlagt. Aber Baukosten sind nun einmal allgemein gestiegen", sagt er im Gespräch mit der SZ und rechnet vor: Von den jüngsten Kostensteigerungen müsse man wegen diverser Fördertöpfe nur 1,5 Millionen Euro tragen, insgesamt sind es etwas mehr als vier Millionen Euro für die Stadt, bereits bezahlte Planungskosten inklusive. Landsberg habe über Jahre Liquidität aufgebaut, alleine im Abschluss 2018 sei der Überschuss um sechs Millionen Euro höher ausgefallen als angenommen. "Wir können die Mehrausgaben stemmen." Neuner sieht deshalb keine Gefahr, dass beim neuen Haushalt gekürzt werden müsse. In der Steg-Sitzung habe der Stadtrat unter anderem vier Millionen Euro für den Neubau eines Kindergartens bereit gestellt. "Das passiert hier alles ohne Aufnahme von Krediten, das geht mir in der Diskussion um den Steg etwas unter."

Überhaupt ärgert sich der OB über manche Darstellung in der Debatte. "Wir reden hier nicht von einem Prestigeobjekt im Nirgendwo" - der Steg erschließe einen komplett neuen Stadtteil, in dem einmal 1500 Menschen wohnen, er sei nur für Radfahrer und Fußgänger zugänglich. Damit werde die Brücke ein zentraler Baustein für die künftige Verkehrsentwicklung der Stadt: Ein Radschnellweg, der auch über den Steg führt, soll den Westen mit der Innenstadt verbinden. "Das wird ein komplett autofreies Gebiet." Über den Tisch gezogen, wie einige sagen, fühlt er sich nicht: "Wir haben einen sehr guten städtebaulichen Vertrag ausgehandelt." Die Beteiligung am Steg sei gedeckelt, ja, aber das sei rechtlich nicht anders möglich gewesen. Unter anderem sei dafür mit dem Bauträger vereinbart, dass Altlasten im Boden komplett auf dessen Kosten abgebaut werden. Baumgartl wertet das anders: Der Stadtrat habe seit Beschluss über die Verträge mehrfach Änderungen zu Gunsten des Investors beschlossen. "Deshalb wäre es nur fair gewesen, der Investor hätte sich jetzt an den Mehrkosten der Brücke beteiligt. Der OB hat diese Möglichkeit im Keim erstickt."

Im September geht es konkret voran, es wird ein Kiesbett eingebracht für Brückenpfeiler. Fünf bis sieben Jahre veranschlagt Neuner, bis das Quartier fertig ist. Zeit, um die Wogen zu glätten. Von Anfang an war das Projekt Gegenstand von Kritik und Gerüchten. Bei den vielen Umplanungen müsse was im Busch sein, hörte man. Dass das Verkehrskonzept mit dem Rad nicht aufgehe und andere Wohngebiete Durchgangsverkehr bekämen; dass kein Relikt der alten Fabrik stehen blieb, zur Erinnerung; und dass eben angeblich nur "Bonzen" einzögen. Dabei seien 33 Prozent sozialer Wohnungsbau festgelegt, betont Neuner. "Also billiger Wohnraum, den wir in Landsberg ja dringend brauchend. Ein guter Mix."

Und da ist auch noch viel Aufregung um den Investor. Bei der Grundsteinlegung im Juni stand er plötzlich da: Thomas O'Malley aus den USA, weißes Hemd, Sonnenbrille. Von ihm hatte vorher keiner etwas gehört, als Projektentwickler stand über Jahre nur Ehret+Klein aus Starnberg in der Öffentlichkeit. Er sei einer von mehreren Investoren, heißt es da, das sei bei Vorhaben dieser Größenordnung üblich. Man berücksichtige den Wunsch der Investoren nach Diskretion. Jedenfalls müsse sich um die Finanzierung niemand Sorgen machen.

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Quelle:
SZ vom 02.09.2019
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