Süddeutsche Zeitung

Landsberg am Lech:Landsberg wird die Motorengeräusche vermissen

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Von Christian Rost

Auf das Brummen am Himmel reagieren die Landsberger längst nicht mehr. Seit fast 50 Jahren gehört das sonore Gesumme zum Alltag in der Stadt am Lech, und wenn Ende des Jahres das Lufttransportgeschwader 61 aus dem benachbarten Penzing abzieht, verschwindet auch das stetige Brumm-Geräusch der Motoren der Transall-Maschinen in der Luft. "Man wird es vermissen", ist sich Sonia Fischer sicher.

Die Leiterin der städtischen Museen in Landsberg und ihr Team verabschieden nun die Soldaten mit einer Ausstellung über das Geschwader mit dem Gamsbock im Wappen. Die Schau mit dem Titel "Servus Transall!" befasst sich mit der Geschichte und dem Auftrag der Luftwaffeneinheit, die sich seit ihren humanitären Einsätzen wie den Hilfsflügen in die Hungersnotgebiete Afrikas in den Siebzigerjahren bei den Menschen am Lech einen beinahe schon pazifistischen Ruf erdient hat.

Nur wenige Städte in Bayern waren vom Militärischen so geprägt wie Landsberg, dem noch in den Achtzigerjahren mit mehr als 6000 Soldaten in drei Kasernen das Image einer Garnisonsstadt anhaftete. Nach dem Ende des Kalten Krieges schlossen die Kasernen, übrig blieb der Fliegerhorst Penzing in unmittelbarer Nachbarschaft. Zunächst waren dort noch 28 Transall C-160, die als Traktoren der Lüfte verspotteten Lastenträger, und 52 Hubschrauber der Luftrettungsstaffel stationiert.

Seit dem vorigen Jahr sind auch die SAR-Hubschrauber weg. Noch acht Transall, die aber bald ebenfalls ausgemustert und durch die Airbus A-400-M-Maschinen ersetzt werden, fliegen von Penzing aus nach wie vor Einsätze. Die verbliebenen 800 Soldaten räumen das Gelände im Dezember. Im 60. Jahr seines Bestehens wird das Lufttransportgeschwader 61 aufgelöst.

Über die Arbeit und Ausrüstung der Einheit können sich Besucher des Neuen Stadtmuseums in Landsberg bis 1. Oktober informieren. Die Ausstellung erstreckt sich über drei Räume und beginnt mit den Ursprüngen: Die Nationalsozialisten verstießen mit dem Bau des Fliegerhorstes in den Dreißigerjahren gegen die Versailler Verträge. In der Schau sind die Baupläne aus dieser Zeit zu sehen. Informationsbroschüren für US-Soldaten erinnern an die Präsenz der Air Force in Penzing, ehe die Luftwaffe den Stützpunkt übernahm.

Uniformen der Bundeswehr, Fliegerkombis in Grün und Orange, und weitere Ausrüstungsgegenstände wie Helme, Stiefel und Taschen zeigen, wie sich das Erscheinungsbild der Truppe auch optisch verändert hat. In Videointerviews berichten Soldaten von ihren Einsätzen. Eine Bundeswehrangehörige, Mutter von zwei Kindern, war in Afghanistan, als sich ein Selbstmordattentäter neben einem Bus in die Luft sprengte und vier deutsche Soldaten tötete.

Die ISAF-Soldatin bekam das Attentat unmittelbar mit. Selbst wurde sie nicht verletzt. Die ständige Gefahr im Auge lässt manche Soldaten aber abergläubisch werden. In einem Schaukasten sind drei Glücksbringer zu sehen, die die Frau bei ihrem Einsatz in Afghanistan bei sich trug: ein Stein, ein Schutzengelbild und eine Münze.

Die Kuratoren wählten die Ausstellungsstücke mit geschickter Hand, jedes für sich erzählt eine Geschichte. Ein gelber Briefkasten aus Sarajevo - das Lufttransportgeschwader 61 hatte sich während der Jugoslawienkriege an der Luftbrücke beteiligt - fällt zunächst nicht weiter auf, doch dann zeigen sich Einschusslöcher an dem Metallkasten. Ein verbogenes Metallteil auf einem Sockel wirkt auf den ersten Blick wie eine moderne Skulptur, tatsächlich handelt es sich um ein Stück einer abgestürzten Transall.

Eindrucksvoll, nicht nur für Zivilisten

In einem weiteren Schaukasten präsentieren die Ausstellungsmacher Dankesbriefe an die Bundeswehr, deren lange in Penzing stationierte Luftrettungsstaffel unzählige Zivilisten nach Unfällen oder Unglücken in Kliniken flog. Einen Brief schrieb der Vater eines jungen Schreiners, der sich eine Hand komplett abgesägt hatte. Ein SAR-Hubschrauber brachte ihn nach München ins Klinikum rechts der Isar. Die Hand sei wieder angenäht worden, berichtete der Vater. Deshalb wolle sich der Sohn bei den Rettungsfliegern bedanken - per Handschlag.

Der Hauptteil der Ausstellung widmet sich der Transall. Das Modell eines Cockpits in Originalgröße ist zu sehen, ebenso ein Teil des Fahrwerks der Maschine, die auch auf nicht befestigten Pisten landen kann. Eindrucksvoll wirkt das alles nicht nur auf Zivilisten, auch Oberst Daniel Draken, Standortältester am Fliegerhorst Penzing, findet die Ausstellung "faszinierend".

"Servus Transall!", Neues Stadtmuseum Landsberg, Von-Helfenstein-Gasse 426, Telefon 08191/128360, www.museum-landsberg.de, geöffnet Di. bis Fr. von 14 bis 17 Uhr, Wochenende und feiertags von 11 bis 17 Uhr. Bis 1. Oktober 2017.

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Quelle:
SZ vom 06.06.2017
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