Süddeutsche Zeitung

Landgericht Hof:Angeklagter nach Brand in Laden freigesprochen

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Von Olaf Przybilla, Hof

Neun Monate saß der Angeklagte Hayder A. in Untersuchungshaft, nun ist er am Landgericht Hof von allen Vorwürfen freigesprochen worden. Diese waren schwerwiegend: Die Anklage gegen den eigenen Angaben zufolge 19-Jährigen aus dem Irak lautete auf schwere Brandstiftung und sechsfachen versuchten Mord. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn beschuldigt, am 15. Januar 2018 nachts gemeinsam mit zwei Mittätern die Schaufensterscheiben eines Geschäfts in Marktredwitz eingeschlagen zu haben. Den Laden hatte ein Flüchtling aus Syrien erst 18 Tage zuvor eröffnet.

Die Anklage war davon ausgegangen, dass A. oder ein Komplize mithilfe von Brandbeschleuniger Feuer gelegt haben soll. Durch den Anschlag seien sechs Hausbewohner in Lebensgefahr gebracht worden. A. habe dies getan, um "vermutlich" eine "durch die Geschäftseröffnung geschaffene Konkurrenz" loszuwerden. Die Anklage stützte sich allein auf Indizien, keine aber mit Beweiskraft. "Trotz erheblicher Verdachtsmomente" sprach das Gericht den Angeklagten frei. Zudem wurde dem Asylbewerber eine Entschädigung von 25 Euro pro Hafttag zugesprochen.

Dass sich die Anklage auf wenig Handfestes stützt, war schon am ersten Verhandlungstag abzusehen gewesen. Zwar waren an einer Plastiktüte im Laden genetische Spuren des Angeklagten gefunden worden. Nur hatte A. bei einem Verwandten an der Theke mitgearbeitet und dort ständig mit Tüten zu tun gehabt. Die Spuren hätten nach Ansicht des Gerichts also auch lange vor dem Brand an die Tüte gelangt sein können. Auch war das Handy von A. in der entsprechenden Funkzelle am Brandort eingebucht. Allerdings war die Wohnung, in der sich A. aufhielt in jener Nacht, gleich um die Ecke - im Bereich derselben Funkzelle.

Andere Fragen ließ die Anklage ebenfalls offen. So war zwar von Komplizen und einem möglichen Auftraggeber die Rede, vor Gericht verantworten aber musste sich lediglich A. Nach der Beweisaufnahme hatte auch die Staatsanwaltschaft einen Freispruch beantragt, weil ein "sicherer Tatnachweis" nicht zu führen sei. Karlheinz Merkel, der Anwalt von A., sagte der SZ, die Staatsanwaltschaft habe sich offenkundig "vergaloppiert". Angesichts nicht vorhandener Beweismittel hätte sein Mandant schon vor dem Prozess aus der U-Haft entlassen werden müssen.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2018
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