Süddeutsche Zeitung

Kuriose Folgen:Raucherloch und Bierzeltregel

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Um weiter qualmen zu dürfen, ließen sich Politiker, Wirte und Gäste allerhand einfallen

Von Johann Osel, München

Es war damals im Nachtleben in Bayern die Zeit der dicken Geldbeutel, und das nicht, weil plötzlicher Reichtum ausgebrochen wäre. Vielmehr etablierte sich im Streit ums Rauchverbot von der Großstadt bis ins kleinste Dorf das Phänomen Raucherklub - mitsamt der Ausweise, die für den Zutritt zu den dunstigen Höhlen nötig waren. Kaum ein Wirt wollte nicht transformieren. Für eine Kneipentour inklusive Absacker war somit ein halbes Dutzend Ausweise nötig: Scheckkarten mit Mitgliedsnummer, kunstvolle Pappen, Papierstreifen oder lose Zettel; in einem Bistro waren es bunte Schraubenbeilagscheiben. Muss reichen, meinte der Wirt. Den Boom der Klubs hat der Gesetzgeber später gebremst, ebenso den der Raucherräume. Mitunter - und rechtswidrig - war die Qualmoase größer als der Hauptraum; findige Wirte stellten Gondeln oder Kabuffs mitten in ihre Bar.

Das Drama um das Rauchverbot in Bayern - vom ersten Gesetz über dessen Lockerungen und retour zur Strenge - steckt voller Kuriositäten. Nicht durchgesetzt hat sich die Idee des Raucherlochs. Wie bei Fotowänden für Kinder, durch die man Kopf und Hände steckt, sollten Lokalwände Fluchtbuchten erhalten. Hintern drinnen, Zigarette und Kopf draußen - wohl zu aufwendig. Anders als die Idee der Kleinkunstbühnen 2010, wie in Mühldorf in der Uschi-Bar. Dort wurde permanent das Stück "Als Uschi noch rauchen durfte" auf die Bühne gebracht, der paffende Gast füllte dazu einen Laiendarstellerantrag aus. Die Masche mit der Kunstfreiheit war leicht zu durchschauen für das Landratsamt, das mitteilte: "Es ist festzustellen, dass es sich bei der Uschi-Bar um eine Gaststätte handelt." Der Wirt einer Pilsstube in Memmingen entdeckte ebenso die Theaterliebe, da entschied ein Amtsgericht: "Weit und breit keine Kunst."

Skurril war auch die Ausnahme für Bierzelte, wie sie die CSU zwischenzeitlich fand, zur Traditionspflege. Gleich kam ein Aufschrei aus Neumarkt in der Oberpfalz, wo man das Volksfest in Festhallen abhält. Geboren war die Bierhallenregel. Diese Debatte war 2010 eh perdu - außer auf dem Oktoberfest, angesichts dessen 200. Jubiläum wollte es die Stadt nicht auf den Härtefalltest ankommen lassen. Anlass zum Schmunzeln bot später auch die Definition von geschlossener Gesellschaft. Es soll bis heute Wirte geben, die sagen: "Irgendeiner hat sicher Namenstag." Tatsächlich erlaubt ist Rauchen bei "echten" geschlossenen Gesellschaften, der Teilnehmerkreis muss vorher "auf eine meist kleine Anzahl feststehender, namentlich geladener Personen begrenzt" werden. Kartenspielerrunden im Nebenraum fallen übrigens nicht darunter.

Lokaltür zu und Aschenbecher auf den Tisch zu später Stunde - auch zehn Jahre nach dem Volksbegehren hört man in Bayern gelegentlich davon. Mancher Kneipier soll mit Stammgästen vereinbart haben, wie eine Strafe aufgeteilt wird. Verstöße gegen das Gesetz kosten als Ordnungswidrigkeit fünf bis 1000 Euro, bei Wiederholung droht der Entzug der Gaststättenerlaubnis. Die Erfahrungen beim Städtetag sowie Nachfragen in einigen Kommunen zeigen aber: Es gibt so gut wie keine Probleme, Wirte sind diszipliniert, die "Sozialkontrolle" durch nicht rauchende Gäste kommt hinzu. Ordnungsämter sind weniger aktiv unterwegs, eher auf Hinweis. Jedoch schauen sie verstärkt auf Wasserpfeifen-Cafés - es geht nicht nur um illegales Anbieten von Tabak, sondern auch um abenteuerliche Dampfkonstrukte samt Explosionsgefahr.

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SZ vom 07.12.2019
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