Süddeutsche Zeitung

Ruhestörung:Notfalls kommt das Gericht zur Kuhglocken-Hörprobe

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Um über den Streit zwischen einer Bäuerin und ihren Nachbarn zu entscheiden, erwägen die Richter eine Nacht im Haus des Klägers.

Von Matthias Köpf, München

Es ist schon die dritte Instanz im Holzkirchener Kuhglockenstreit, aber auch sie wird aus Sicht des Vorsitzenden Richters kaum die letzte sein: "Was der BGH letztlich davon halten wird, wissen wir nicht", sagte der Vorsitzende also am Mittwoch am Oberlandesgericht München zu der Frage, ob ein Unternehmer, der vor einigen Jahren in den Weiler Erlkam im Landkreis Miesbach gezogen ist, dort das Läuten einiger Kuhglocken jenseits seines Gartenzauns erdulden muss. Die zweite Instanz, also das Landgericht, hat diese Frage 2017 bejaht, denn der Unternehmer hatte 2015 in erster Instanz vor dem Amtsgericht Miesbach einem Vergleich mit einer Abstandsregelung zugestimmt.

Schon das Landgericht musste sein Urteil praktisch zweimal fällen, denn nach der Niederlage des Unternehmers hatte auch dessen Ehefrau geklagt, vorläufig mit dem gleichen Ergebnis. Der gemeinsame Anwalt hat schon verschiedentlich wissen lassen, dass es seinem Mandanten nicht ums Geld gehe und dieser auch nicht an den Anwaltskosten zu sparen gedenkt. Man werde alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen. Diese sind zahlreich und enden auch nicht beim Bundesgerichtshof. "Selbst wenn sie heute gewinnen, kommt er morgen mit einer neuen Klage", warnte einer der Beisitzer die Bäuerin. Denn praktisch mit jedem neuen Bimmeln lässt sich auch neu auf Unterlassung klagen - was der Kläger-Anwalt erklärtermaßen auch erwägt.

Weil andere Vergleichsversuche wie GPS-Sender statt der Glocken längst vergebens durchgespielt wurden, regte das OLG nun einen neuen an: Wenn das Geld schon keine Rolle spiele, so könne die Bäuerin doch gegen eine Zahlung auf die Glocken verzichten. Doch die wollte auch davon nichts wissen, denn "ich bin nicht bezahlbar oder bestechlich". Die Gemeinde Holzkirchen, die ihr die Wiese für 200 Euro im Jahr verpachtet und daher mitverklagt wurde, will ohnehin einen Präzedenzfall vermeiden. Der Vorsitzende dagegen befürchtet sinngemäß eher, dass nach so einem Vergleich manch anderer Bauer auf die Idee kommt, dem Nachbarn Kühe vors Schlafzimmer zu stellen und damit Schutzgeld einzutreiben.

Nun will das OLG bis April entscheiden, ob der Kläger an den Vergleich aus erster Instanz gebunden bleibt. Dass das Bimmeln unerträglich ist, muss er erst belegen. Notfalls will der dreiköpfige Senat im Sommer im Haus des Klägers übernachten und selber sehen, ob an Schlaf zu denken ist.

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Quelle:
SZ vom 14.02.2019
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