Süddeutsche Zeitung

Kratzers Wortschatz:Ilse Bilse, keiner willse ... 

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Was darf man noch sagen und was nicht? Bei dem Wort Trenzerbeidl gehen die Meinungen auseinander. Der Vorname Ilse ist zwar erlaubt, aber höchst unbeliebt.

Trenzerbeidl

Ein älterer Herr hat neulich in einem Wirtshaus erzählt, er habe seinen Enkel in der Kinderkrippe abgeholt. Ein anderer Bub habe dort jämmerlich geweint, weshalb er ihn im liebevollen Sinne einen Trenzerbeidl genannt habe. Die Betreuerin aber habe sogleich lautstark interveniert: "Um Gottes Willen, das darfst fei nimmer sagen!" Was man sagen darf und was nicht, ist ein großes Thema unserer Zeit. Das Wort Trenzerbeidl (Trenzbeutel) klingt eigentlich recht harmlos. Es beschreibt ein weinendes Kind, manchmal auch einen weinerlichen Menschen. Eine Leserin, die einst am Stadtrand von München aufgewachsen ist, schickte uns folgendes Verslein aus ihrer Kindheit zu: "Zahnabeil, Hofascheil, gehst mit mir auf d'Isarbruck, hast de schwarze Henn dadruckt!" So etwas trug man damals einem weinenden Kind vor und brachte es damit wieder zum Lachen. Das Hofascheil war ein Ofenscheitl, ein Zahnabeil war ein Zahnerbeidl, analog zum Trenzerbeidl und zum Chiemgauer Rearbeidl. Die dazugehörigen Verben trenzen, zahnen und rearn sind Synonyme für weinen.

Ilse

Vor Kurzem wurde im Bayerischen Rundfunk eine Sendung mit der nun 81-jährigen Schauspielerin Ilse Neubauer wiederholt. Sie gilt zu Recht als "die Stimme des Bayerischen Rundfunks". Unvergessen ist ihre Rolle in der Reihe "Die Hausmeisterin", in der sie das Gspusi Ilse-Hasi an der Seite des von Helmut Fischer gespielten Josef-Bärli mimt. Es ist eine turbulente Beziehung, aber beim Zuschauen verbindet man trotzdem etwas Solides, Vertrautes mit der Person Ilse, deren Name sich vor Jahrzehnten gegen die aufstrebenden Schantalls, Schackelines und Sandras nicht mehr behaupten konnte. Heute klingt er völlig veraltet.

Ilse Neubauer sagte in dem Radiogespräch, sie möge ihren Vornamen gar nicht. Schon als Kind habe sie unter ihm gelitten, vor allem wegen des Spottverses: "Ilse Bilse, keiner willse, kommt der Koch, nimmt sie doch, steckt sie in das Ofenloch ..."

Vielleicht ist der vor hundert Jahren noch sehr populäre Name auch deshalb ausgestorben. Zu den wenigen Ilsen in Bayern zählt heute die Landtagspräsidentin Ilse Aigner, deren Verhältnis zu ihrem Vornamen aber noch ungeklärt ist.

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