Süddeutsche Zeitung

Kosten für Fehlbeleger:6000 Euro Nachzahlung fürs Wohnen in der Asylunterkunft

Lesezeit: 2 min

Von Dietrich Mittler, München

Wenn Werner Roth aus Landsberg den Begriff "Fehlbelegungsabgabe" hört, gerät sein Blut in Wallung. "Mir drängen sich dazu eher Begriffe wie Betrug oder Nepp für diesen Mietwucher auf", sagt er. Was Roth so sehr aufregt, kommt an diesem Samstag auch beim 4. Oberbayerischen Asylgipfel in München zur Sprache: Viele anerkannte Asylbewerber gerieten jetzt finanziell massiv unter Druck durch die Wohngebühr, die von ihnen verlangt wird, wenn sie als "Fehlbeleger" in der Gemeinschaftsunterkunft bleiben, statt bald auszuziehen.

Das mit dem Auszug ist jedoch für Flüchtlinge gar nicht so einfach, da sie auf dem freien Wohnungsmarkt oft keine erschwingliche Wohnung finden. Erschwerend kommt seit vergangenem Jahr hinzu: Durch eine Verordnung des Sozialministeriums sind die Unterbringungsgebühren drastisch gestiegen. Einige Flüchtlinge, so protestieren nun Asylhelfer aus ganz Bayern, würden mittlerweile mit hohen Nachzahlungsforderungen konfrontiert.

Roth ist der Fall eines Syrers bekannt, dem Nachforderungen in Höhe von rund 6000 Euro drohen. "Er wird also vom bayerischen Staat dafür bestraft, dass er schnellstmöglich für sich selbst gesorgt hat", sagt Roth. Seit Anfang 2016 habe der Betroffene einen Job. Über die befürchtete Nachforderung hinaus soll er künftig - inclusive Energiekosten - monatlich 311 Euro zahlen.

Ein Betrag in dieser Höhe spotte jeder Beschreibung, wenn man sich im konkreten Fall die Unterkunft betrachte, empört sich der Landsberger: "Die kleinen Räume sind meist von zwei Leuten bewohnt." Auf zwei Etagen müssten sich jeweils 30 Leute einen Duschbereich mit Toiletten teilen. "Diese sind oft nicht funktionstüchtig und werden immer nur schleppend wieder in Stand gesetzt", sagt Roth. So etwas sei zu Recht in der freien Wirtschaft gesetzlich untersagt.

Das Sozialministerium sieht keinen Grund zur Aufregung. Jeder neu anerkannte Flüchtling erhalte eine Aufforderung, "in absehbarer Zeit aus der staatlichen Unterkunft auszuziehen". Der Freistaat, so geht aus der Antwort des Ministeriums zwischen den Zeilen hervor, verhalte sich sogar großzügig und schicke "niemanden in die Obdachlosigkeit". Umgekehrt aber müsse ein anerkannter Asylbewerber dafür eine Gebühr entrichten - wohlgemerkt keine Miete.

"Aktuell betragen die Unterkunftsgebühren für alleinstehende oder einem Haushalt vorstehende Personen monatlich 278 Euro und für Haushaltsangehörige monatlich 97 Euro", sagt eine Ministeriumssprecherin. Die Erhöhung der Gebührensätze sei erforderlich gewesen, um "eine Ungleichbehandlung" mit sogenannten Hartz-IV-Beziehern "zu verhindern", hatte sich das Ministerium bereits vergangenen Dezember gegen den wütenden Protest von Asylhelfern aus dem kirchlichen Bereich verteidigt. Die hatten angeprangert, dass eine vierköpfige Familie für ein rund 20 Quadratmeter großes Zimmer statt 387,67 Euro künftig 642 Euro zahlen müsse.

Das Sozialministerium sah und sieht sich weiterhin im Recht - auch was die Nachforderungen betrifft. Zwar könne man nicht mit Sicherheit sagen, ob in der Vergangenheit jeder Asylsuchende auf die Gebührenpflicht hingewiesen worden sei. Aber die sei in der Asyldurchführungsverordnung geregelt - "und damit wie alle geltenden Gesetze und Verordnungen in Deutschland jederzeit einsehbar".

Asylhelfer halten dem entgegen, dass gar nicht oder kaum deutsch sprechende Flüchtlinge solche Verordnungen wohl eher nicht lesen können. Das Sozialministerium indes sagt, wer nicht sofort zahlen könne, könne ja eine Ratenzahlung vereinbaren. Und bei Flüchtlingen, die über kein Einkommen verfügten, werde die Wohngebühr ohnehin vom Jobcenter übernommen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3577863
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.07.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.