Süddeutsche Zeitung

Kommunalpolitik:Zwietracht und Eintracht

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Die Bürgermeisterwahlen in Landshut und Ingolstadt verlaufen sehr unterschiedlich

Von Johann Osel, Landshut/Ingolstadt

Obwohl die Landshuter Grünen aus der Kommunalwahl Mitte März mit 25,4 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft hervorgegangen sind, stellen sie in der neuen Amtsperiode keinen Bürgermeister. Bei der konstituierenden Sitzung des Stadtrats am Freitag kamen ins Amt der Stellvertreter des wiedergewählten OB Alexander Putz (FDP): Thomas Haslinger (CSU) und Jutta Widmann (Freie Wähler). Der Grüne Thomas Keyßner, bis dato Zweiter Bürgermeister, fiel gegen Haslinger durch. Bei der Kommunalwahl war die CSU (22 Prozent) auf Platz zwei hinter den Grünen gelandet, vor den Freien Wählern (knapp elf); insgesamt 13 Parteien und Gruppen erreichten Mandate in dem nun zersplitterten Gremium.

Es ist ein Debakel für die Grünen und eine Machtdemonstration der konservativen Mehrheit. "Bitter" nennen die Grünen das Scheitern ihres Kandidaten, dies habe sich allerdings "abgezeichnet, nach den Machtspielchen, die sich in den letzten Wochen im Hintergrund abgespielt haben". Es sei zudem "beängstigend, wie weit die konservative Mehrheit im Stadtrat zur Mehrheitsbeschaffung und um Pfründe zu sichern, bereit ist zu gehen".

Auf der Tagesordnung standen am Freitag nämlich auch eine Vergrößerung der Ausschüsse von neun auf zehn Mitglieder (wovon zuvorderst die AfD profitiert) und die Gründung einer Fraktion aus CSU und drei kleineren Partnern. Damit wird die CSU, wenngleich nicht stärkste Kraft bei der Wahl, stärkste Fraktion im Gremium. Beides hatten die Grünen in den Wochen vor der ersten Sitzung und auch am Freitag scharf gerügt. Die Ausschussänderung zum Vorteil der AfD sei ein "unerhörter Dammbruch"; die Quasi-Aufstockung der CSU-Fraktion sei unzulässig, man wolle das rechtlich prüfen lassen. "Hier wird der Wählerwille mit Füßen getreten und die Spiegelbildlichkeit im Stadtrat gravierend verändert", so die Grünen. Das alles birgt Zündstoff für die künftige Stadtpolitik.

Einträchtiger lief die Wahl der Bürgermeister in Ingolstadt ab, wo sich in den vergangenen Jahren Gräben im Stadtrat aufgetan hatten. In die Stadtspitze gewählt wurden am Donnerstag als Zweite und Dritte Bürgermeisterin die Amtsgerichtsdirektorin Dorothea Deneke-Stoll (CSU) sowie die Grüne Petra Kleine. Der neue OB Christian Scharpf (SPD) hatte sich eine Besetzung nach Fraktionsstärke gewünscht, er sieht das als Grundstein eines überparteilichen Regierens und der Arbeit des Stadtrats als "Kollegialorgan", wie er es im Wahlkampf versprochen hat.

Scharpf hatte sich in der OB-Stichwahl gegen den Amtsinhaber Christian Lösel (CSU) durchgesetzt, auch in Ingolstadt ist der Stadtrat mit elf Parteien und Gruppierungen kleinteilig besetzt. Für die Wahl der Bürgermeisterinnen gemäß Fraktionsstärke hatten CSU, SPD und Grüne eine Absprache getroffen, die ausweislich Beteuerungen aller Beteiligten aber nichts über künftige Bande aussagen soll. Scharpf will für Themen auch um wechselnde Mehrheiten werben und grundsätzlich ein harmonisches Klima in der Stadtpolitik.

Natürlich hätte der Plan für die Bürgermeisterwahl scheitern können, das wäre kein guter Auftakt für die Scharpf-Strategie gewesen. Trotz Gegenkandidaten von Freien Wählern und Bürgergemeinschaft Ingolstadt (mit respektablen Ergebnissen) wurden Deneke-Stoll und Kleine gewählt. Dem Vernehmen nach wollte mancher Stadtrat nicht einsehen, dass die abgewählte CSU diesen Posten besetzt; in der CSU konnten sich wiederum mutmaßlich einige nicht mit der Berücksichtigung der Grünen Kleine anfreunden und votierten für den Kandidaten der Freien Wähler.

Die Zeichen in Ingolstadt stehen jetzt klar auf Neuanfang. Feste Machtblöcke im Stadtrat und die harschen Auseinandersetzungen im Zuge der Vetternwirtschaft am kommunalen Klinikum und bei privaten Immobiliendeals von Alt-OB Alfred Lehmann (CSU) hatten die vergangene Amtsperiode belastet. Die CSU, allen voran der abgewählte OB Lösel, hatte sich bei der Amtsübergabe fair verhalten und mit Deneke-Stoll eine von alten Konflikten unbelastete Bürgermeisterin nominiert. Der Donaukurier betitelte Scharpf nun treffend als "informellen Gruppentherapeuten für mehr Miteinander".

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SZ vom 09.05.2020
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