Süddeutsche Zeitung

Lesenswert:Das Ende des Märchenkönigs

Lesezeit: 2 min

Der neue Krimi "Königsherz" des Autors Markus Richter schildert die letzten Lebenstage von Ludwig II.

Von Sabine Reithmaier

Kein Kapitel der Biografie Ludwigs II. wird bis heute so kontrovers diskutiert wie seine Entmachtung und sein bis heute ungeklärter Tod. War es ein Selbstmord? Versagte sein Herz, als der füllige Monarch zu fliehen versuchte? Oder wurde er gar am Ufer des Starnberger Sees erschossen? Der Autor Markus Richter ist sich jedenfalls sicher, dass zwischen des Königs jäher Entmachtung und dessen Tod ein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Daran lässt sein eben erschienener, ebenso spannender wie unterhaltsamer Krimi "Königsherz" keinen Zweifel.

Richter ist ein Märchenkönig-Experte. Nicht nur, weil er 1972 in Füssen geboren ist, sondern auch weil er jahrzehntelang auf Schloss Neuschwanstein gearbeitet hat. Erst war er Schlossführer, später als Kastellan für die Liegenschaftsverwaltung zuständig; einige Jahre hatte er sogar eine Wohnung im Schloss, ein Ort, den viele seiner Figuren übrigens nicht besonders schätzen. Für sie ist die Neue Burg Hohenschwangau, wie Neuschwanstein vor dem Tod Ludwigs hieß, ein "Albtraumschloss" und eine "Spukburg".

"Königsherz", Richters dritter Neuschwanstein-Krimi, konzentriert sich auf die letzten Lebenstage des Königs. Vieles, was der Autor erzählt, entspricht den historischen Tatsachen. Ludwig II. wird am 9. Juni 1886 durch die bayerische Regierung entmündigt. Gleich nach der Sitzung startet eine Delegation aus Politikern, Ärzten und Pflegern von München nach Hohenschwangau, um den König von seiner Absetzung zu unterrichten und ihn in Gewahrsam zu nehmen.

Die Aktion missglückt, da die von Ludwig alarmierten und ihm treu ergebenen Feuerwehrleute und Gendarmen einen Staatsstreich vermuten und daher die meisten Mitglieder der Delegation im Torbau von Neuschwanstein festsetzen. Der König erteilt aus dem Hintergrund drastische Anweisungen, befiehlt, seine Widersacher fesseln und bis aufs Blut peitschen zu lassen. Auch wenn niemand diese Befehle umsetzt, spitzt sich die Situation zu, kann jederzeit außer Kontrolle geraten, was Richter sehr realistisch nachzeichnet.

Wundervoll der historisch verbürgte Auftritt der Baronin Spera von Truchseß, einer Getreuen des Königs, die mitten in der Nacht, mit einem Regenschirm bewaffnet, versucht, die teils alkoholisierte Delegation vom Betreten des Schlosses abzuhalten. Angesichts von so viel Anarchie ist es nicht leicht für Bernhard Sonntag, den Bezirksamtmann von Füssen, den Überblick zu behalten, ohne sich durch falsche Entscheidungen die eigene Karriere zu ruinieren. Ganz anders der Gendarmerie-Kommandant Ferdinand Boppeler, der auf den König nichts kommen lässt. Angenehm ist es aber für beide nicht, als der vermeintliche Putsch am Vormittag des 10. Juni aufgrund telegrafischer Weisungen aus München einen legalen Anstrich erhält.

Der zweiten Delegation aus Ärzten, Pflegern und Gendarmen, die kurz nach Mitternacht am 12. Juni in Hohenschwangau eintrifft, gelingt es, den verzweifelten, aber sich völlig passiv verhaltenden König in einer verriegelten Kutsche nach Schloss Berg zu bringen. Den Vorschlag seines Flügeladjutanten Graf Dürckheim, nach München zu reisen und sich seinen Untertanen zu zeigen, lehnt Ludwig II. zuvor ebenso ab wie die Idee, ins nahe Tirol zu fliehen.

Was das tragische Ende des Königs betrifft, so stützt sich Richter nach eigenen Angaben auf die Aufzeichnungen des ehemaligen Füssener Apothekers und Hoflieferanten Christian Singer, der angeblich ebenfalls vor Ort war. Das 21-seitige Manuskript lag jahrzehntelang unentdeckt in einer Kiste auf dem Dachboden der Apotheke. Allzu viel Unbekanntes scheint darin aber nicht enthalten zu sein. Denn ohne hier zu viel zu verraten: Neu ist Richters These zu Ludwigs Tod nicht.

Markus Richter: Königsherz (Edition Tingeltangel), Buchpräsentation am 15. April, 19 Uhr, Marstall am See, Mühlgasse 7, 82335 Berg

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5796804
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.