Süddeutsche Zeitung

Kloster Banz:CSU will Sammel-Haftanstalt für ausreisepflichtige Gefährder

Lesezeit: 3 min

Von Wolfgang Wittl, Bad Staffelstein

An der großen Weltpolitik führt für die CSU natürlich kein Weg vorbei, nicht einmal im kleinen Banz. Das Kloster erhebt sich über die oberfränkische Landschaft, wenn auch nicht wie Wildbad Kreuth in den Alpen, wo die CSU-Landtagsfraktion sonst immer ihre Winterklausuren abgehalten hat. Da kommt ein gut gelaunter Horst Seehofer und versucht sich als Interpret von Donald Trump.

Neben anderen seltsamen Geistesblitzen hatte der designierte US-Präsident die Nato soeben ja als "obsolet" bezeichnet. Für den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef kein Grund zur Beunruhigung. Obsolet, relativierte Seehofer also mit seinem frisch erlangten Wissen aus einer Internet-Suchmaschine, bedeute nicht zwingend "überflüssig", sondern könne auch "veraltet" heißen. Und damit es wirklich jeder versteht, zur Klarheit noch einmal am eigenen Beispiel: "Es ist nämlich ein erheblicher Unterschied, ob etwas veraltet ist - das wäre ich. Oder ob etwas überflüssig ist - das bin ich nicht."

Das offizielle Motto der Klausur lautet: "Platzhirsch und Global Player - Bayerns Wirtschaft bleibt spitze." Doch mit seiner Definition des Wörtchens "obsolet" hat Seehofer wieder eigene Maßstäbe gesetzt. Mancher Abgeordnete hatte zuvor die Augenbrauen gehoben ob des wirtschaftlichen Akzents, an dem Fraktionschef Thomas Kreuzer ungeachtet aller sicherheitspolitischen Debatten festgehalten hatte. Kreuzer stellte am Dienstag aber klar, dass dieses Thema für den Freistaat keineswegs veraltet und schon gar nicht überflüssig sei, "weil es entscheidend für Zukunft des Landes und der Menschen ist".

Als Beweis präsentierte die CSU-Fraktion eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts "Prognos". Deren Zahlen stammten zwar aus dem vergangenen Jahr und waren somit leider etwas älter (wenn auch nicht veraltet). Aber sie belegten aus CSU-Sicht dennoch, dass Bayern bei Einkommensniveau und Arbeitslosenzahlen weltweit keinen Vergleich zu scheuen braucht. Nun geht es für Kreuzer darum: "Wie kann Bayern noch besser werden?" Noch stehe der Freistaat gut da, sagte Michael Böhmer aus der Prognos-Geschäftsführung: "Aber auch Bayern wird altern und hat damit ein demografisches Problem."

Ein zentrales Zukunftsthema bleibt die Digitalisierung: "Höchste politische Priorität hat für uns daher der Ausbau einer flächendeckenden, leistungsfähigen Breitbandversorgung", heißt es in einem internen Resolutionsentwurf der Fraktion. Eine Datenrate von mindestens 100 Megabit pro Sekunde für Gewerbegebiete sei das Ziel. Seehofer indes spricht bereits von "Gigabereichen", in denen der Freistaat denken müsse. Eine weitere Herausforderung der Zukunft: "Wie können wir mit weniger Menschen im Erwerbsleben noch mehr erwirtschaften?", fragte Kreuzer mit Blick auf die Demografie. Erwin Huber, der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im Landtag, mahnte, wieder mehr auf berufliche Bildung zu setzen - und fand damit auch die Unterstützung des Fachmanns Böhmer. Das Gleichgewicht von Akademikern und Facharbeitern müsse stimmen.

Auch eine Beschlussvorlage für bezahlbaren Wohnraum legte der Fraktionsvorstand vor, mehr Brisanz hat jedoch die Resolution zur Sicherheitspolitik. So möchte die CSU ausreisepflichtige Gefährder künftig in einer Einrichtung in Passau in Abschiebehaft nehmen. "Für eine sichere Unterbringung von Gefährdern sowie einen nachhaltigen und kompromisslosen Vollzug der Abschiebungshaft errichten wir schnellstmöglich in Passau eine bundesweit einzigartige kombinierte Einrichtung zum Vollzug von Straf- und Abschiebungshaft", heißt es in dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung  vorliegt.

So eine Einrichtung sei mit "optimalem Synergiepotenzial" zu den Transitzentren zu sehen, die der Bund in Grenznähe errichten soll. Asylbewerber, "die bei der Identitätsklärung und Beschaffung von Passersatzpapieren nicht mitwirken", sollen laut CSU "in zentralen Ausreiseeinrichtungen untergebracht" werden. Eine Forderung, die von manchem Oppositionspolitiker als überflüssig empfunden werden könnte.

Apropos: Der Vorschlag von Finanzminister Markus Söder, die 6,2 Milliarden Euro Überschuss aus dem Bundeshaushalt bereits vor der Bundestagswahl zur Steuersenkung zu verwenden, war am Dienstag schon wieder veraltet. In der Union herrsche völlige Übereinstimmung, mit dem Geld jetzt Schulden zu tilgen, sagte Seehofer: "Damit ist die Sache klar und keine weitere Diskussion notwendig." Einen Dissens mit Söder gebe es trotzdem nicht, behauptete Seehofer: "Wir wollen beide Steuersenkungen" - um 15 Milliarden Euro. Söder sagte, ein halbes Jahr früher oder später sei für ihn nicht entscheidend.

Als überflüssig hingegen empfand Söder womöglich ein Interview von Erwin Huber. Der frühere CSU-Chef hatte seine Partei in der SZ vor einem überstürzten Machtwechsel gewarnt und sie aufgefordert, Seehofer Zeit und Vertrauen für den Übergang zu geben. "Genau so muss man reden", lobte der Ministerpräsident seinen einstigen Rivalen: Huber habe die Situation "souverän" und "super beschrieben".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3336464
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 18.01.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.