Süddeutsche Zeitung

Kleiner CSU-Parteitag:Jetzt mögen sie sogar Seehofer

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Wenn zwei Parteien sich streiten, freut sich die dritte - nämlich die CSU: In der Berliner Koalition präsentiert sich Seehofer mit seiner Partei als Stabilisator. Es ist nicht das erste Mal, dass die CSU von Schwächen anderer profitiert.

Mike Szymanski

Die Christsozialen gehen wieder aufrecht durchs Land, nicht nur in Bayern. Der Vorsitzende Horst Seehofer hat die Partei nach Jahren schmerzhafter interner Querelen und bitterer Wahlniederlagen wieder aufgerichtet. Auf dem kleinen Parteitag in Nürnberg jubelten die Delegierten Seehofer zu, wie sie es seit seinem Amtsantritt 2008 nicht mehr getan haben.

Wenn es derzeit einen Gewinner in der Berliner Koalition gibt, dann ist es die CSU. Geschickt hat Seehofer nach der für FDP und Union desaströsen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen das Machtgefüge innerhalb der Koalition zugunsten seiner Partei verschoben. Die Verhandlungshoheit in der Gesundheitspolitik liegt innerhalb der Union bei der CSU. Auch die anstehende Wahl des Bundespräsidenten nutzt Seehofer, um sich und seine Partei als einzigen verlässlichen Partner zu präsentieren. Zweifel an Christian Wulff als Präsidentschaftskandidaten lässt er gar nicht erst zu. Die CSU will Stabilitätsanker dieser Koalition sein und Seehofer der Stabilisator.

Die CSU hat es immer verstanden, von der Schwäche anderer zu profitieren. Am deutlichsten gelang ihr das im Jahr 2000. Damals versank die Schwesterpartei in der Spendenaffäre, sie war handlungsunfähig. Damals hat sich die CSU bewusst darum bemüht, der ruhende Pol im bürgerlichen Lager zu sein. Parteichef Edmund Stoiber baute in jenen turbulenten Monaten die Machtbasis der CSU in der Union aus und legte die Grundlage für seine Kanzlerkandidatur.

Natürlich ist die CDU heute keinesfalls handlungsunfähig. Und Seehofer ist auch längst nicht so stark wie damals Stoiber. Aber Kanzlerin Angela Merkel wird einsamer, ihr laufen jetzt auch die loyalen unter den mächtigen Gefolgsleuten weg: Nach Günther Oettinger verlassen Roland Koch und Jürgen Rüttgers die nationale Politik. Und sollte - erwartungsgemäß - Christian Wulff Bundespräsident werden, hinterlässt auch er eine Lücke. Dann bleibt Horst Seehofer der letzte starke Mann, ohne den die Kanzlerin nicht auskommen kann.

Innerhalb der CSU hat Seehofer seine Position festigen können. Er ist nicht mehr nur ein geduldeter Parteichef, wie er es vor einem halben Jahr noch war. Damals haderte die Partei mit ihm. Sie glaubte nicht daran, mit Seehofer wieder Wahlen gewinnen zu können. Die Partei akzeptierte ihn lange nicht als Anführer. Das hatte auch damit zu tun, dass in der CSU alle Sympathien dem strahlenden, jungen Karl-Theodor zu Guttenberg zuflogen. Guttenberg galt vielen schon als der kommende CSU-Chef.

Doch die Begeisterung über Guttenberg ist verflogen. Mit seinem Vorstoß, die Wehrpflicht möglicherweise abzuschaffen und Kasernen zu schließen, hat der Baron die CSU überrumpelt. Zum ersten Mal bekommt er Widerstand aus der eigenen Partei zu spüren. Von Guttenbergs Schwäche profitiert Seehofer. Er ist jetzt der unangefochtene Dirigent.

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Quelle:
SZ vom 28.06.2010
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