Ernährung: Die wirklich wichtige K-Frage

Ist die Kartoffel ein Gemüse oder nicht? Darüber kann man trefflich streiten.

Der Silvesterabend war noch jung, als das Tischgespräch auf einmal hitzig wurde. Dabei hatte alles ganz harmlos mit dampfenden Ofenkartoffeln begonnen und der Frage, ob die Kartoffel nicht ohnehin das beste Gemüse überhaupt sei: günstig, nahrhaft, vielseitig. Doch allein die Frage löste Proteste aus. Eine Kartoffel sei kein richtiges Gemüse, wandte die Gegenseite ein und stellte eine mindestens zweifelhafte Definition an: Gemüse sei idealerweise grün, knackig und gesund, so wie Brokkoli oder Spinat. Kartoffeln seien allenfalls der Kategorie "kohlenhydrathaltige Sättigungsbeilage" zuzuordnen wie Nudeln oder Reis - die auch noch besser schmecken würden. Spätestens an dieser Stelle wurde es emotional.

Eine eilige Handyrecherche unbeteiligter Partygäste konnte den Kartoffelkampf nur notdürftig schlichten, denn im Internet fanden beide Seiten eine Bestätigung ihrer Thesen. Die entscheidende Frage blieb also unbeantwortet: Ist die Kartoffel ein Gemüse oder nicht?

Ein Anruf bei der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft. Am Telefon ist ein Mann, der es wissen muss. Alexander Mayerthaler forscht zu Anbau und Verarbeitung von Kartoffeln, er hat unter anderem die Frittierfarbe von Pommes untersucht. "Gar keine einfache Frage", sagt der Agraringenieur zur K-Frage. "Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht gehört die Kartoffel wegen des hohen Kohlehydratanteils theoretisch zu den Getreideprodukten. Botanisch gesehen ist die Kartoffel ein Nachtschattengewächs wie die Tomate." Im alltäglichen Sprachgebrauch falle die Knolle meist trotzdem unter den Oberbegriff Gemüse, Mayerthaler sieht das ziemlich gelassen. 2003 wurde die Kartoffel sogar zum "Gemüse des Jahres" gekürt, und wo würde man im Supermarkt sonst nach Zutaten fürs Gratin suchen, wenn nicht in der Gemüseabteilung?

Soweit die Fakten. Aber hinter dem Silvesterkartoffelstreit steckt mehr, es geht um Emotionen und Identität. Bayern ist nach Niedersachsen das zweitgrößte Anbaugebiet Deutschlands, es gibt eine Kartoffelkönigin und liebenswerte Dialektschöpfungen: Grumbiere, Erdäpfel, Bumser. Ohne die vitaminreiche Kartoffel hätten früher viele Menschen hungern müssen und selbst heikle Kinder lieben Pommes, Knödl und Stampf. Die Beleidigung "Du Kartoffel" ist in Wahrheit eine Würdigung. Deshalb küren wir die Kartoffel hiermit zum besten Gemüse aller Zeiten.