Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Philosoph des Bayerwalds

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Josef Fendl schrieb mehr als 60 Bücher und Tausende Artikel, er war ein Universalgelehrter und Humanist im besten Sinne. Vom bäuerlichen Misthaufen bis hin zur Atomphysik war ihm nichts fremd. Nun ist er gestorben, er wurde 93 Jahre alt.

Von Hans Kratzer, Neutraubling

"Wer einen anderen Menschen zum Lachen bringt, erlöst eine arme Seele aus dem Fegefeuer", lautet ein alter Volksglaube, weshalb es ganz logisch ist, dass in alten Benediktinerklöstern für die Äbte eigene Witzstühle reserviert waren. Auf einem solchen Stuhl hätte auch Josef Fendl bequem Platz gefunden, hat er doch im Laufe seines Lebens unzählige Menschen zum Lachen gebracht. Dabei stellte der ehemalige Realschullehrer, Heimatpfleger und Autor aus Neutraubling viel mehr dar als nur jenen Humoristen und Sprücheklopfer, als den ihn viele sahen. Fendl war ein hochgebildeter Mann, ein Universalgelehrter vom alten Schlag, ja ein Humanist im besten Sinne, dem quasi vom bäuerlichen Misthaufen bis hin zur Atomphysik nichts fremd war. Mit Fug und Recht galt er als der Philosoph des Bayerwalds.

Das bewies er zur Genüge in seinen mehr als 60 Büchern und in Tausenden Texten für Zeitungen und Zeitschriften. Überdies brillierte er mit Lesungen und Vorträgen, und er stellte viele Rundfunksendungen zusammen. Fendls Werke sind eine unerschöpfliche Fundgrube. Unter anderem hat er eine riesige Sammlung an Aphorismen, Spruchweisheiten und sogenannten Sagwörtern, das sind Mini-Schwänke, zusammengetragen, die schon im antiken Athen einen hohen Stellenwert besaßen. Aufgewachsen in einer Einöde im Bayerischen Wald, schnappte Fendl schon als Bub vieles auf, was dort erzählt wurde. Später wurden ihm auch aus anderen Kanälen Volkssprüche zugetragen, im Kreistag von Regensburg etwa, dem er 30 Jahre lang angehörte, sowie im Benediktinerkloster Metten.

Als bekennender Offliner sammelte er sein Wissen bis zuletzt in Bibliotheken und Archiven. Er wusste zwar, wie die sozialen Medien funktionieren, aber er mied sie. Wer den Zwiespalt der bayerischen Seele auch nur annähernd verstehen will, der kommt an Fendls Werken nicht vorbei. Er hat die gängige Bayernfolklore ad absurdum geführt, doch oft erging es ihm wie dem Karl Valentin: Man stellte ihn in die humoristische Ecke, obwohl er ein Philosoph war. Auch das weltweit kürzeste Gedicht stammt von ihm: "I". Es behandelt das Thema Egoismus. Am vergangenen Samstag ist Fendl gestorben, er wurde 93 Jahre alt.

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