Süddeutsche Zeitung

Ingolstadt:Geschichte zieht

Lesezeit: 3 min

Die bayerischen Landesausstellungen sind bei Städten heiß begehrt: Sie sind populär aufbereitet und locken so Touristen in Scharen an

Von Hans Kratzer, Ingolstadt

An diesem Mittwoch wird in der Landesausstellung "Napoleon und Bayern" im Neuen Schloss in Ingolstadt der 100 000. Besucher erwartet. Diese Zahl lässt darauf schließen, dass das Vorjahresergebnis von Regensburg, wo Kaiser Ludwig der Bayer im Zentrum der Präsentation stand, erreicht und vielleicht sogar übertroffen wird. In Regensburg sind insgesamt 140 000 Besucher gezählt worden. Richard Loibl, der Direktor des Hauses der Bayerischen Geschichte, ist mit der Entwicklung sehr zufrieden. Immerhin konkurriert hier das touristisch noch ausbaufähige Ingolstadt mit der boomenden Touristen- und Welterbestadt Regensburg, der die Besucher auch ohne Landesausstellung in Scharen zulaufen.

Insofern zeigt die gute Besucherquote in Ingolstadt, welch ein touristisches Potenzial eine Landesausstellung eröffnet. In Regensburg hatten mehrere Wirte und Cafébetreiber beim Haus der Bayerischen Geschichte sogar angefragt, ob denn die Ausstellung nicht verlängert werden könne. Der Ingolstädter OB Christian Lösel sagte neulich, es sei deutlich zu spüren, dass mehr Leute in der Stadt seien als sonst.

Landesausstellungen werden seit 1983 an wechselnden Orten präsentiert. Dem Publikum werden dabei Themen der bayerischen Geschichte vorgestellt. Wie sehr sich die Dinge in den vergangenen Jahren verändert haben, zeigt jedoch der Vergleich mit der ersten Landesausstellung in Ingolstadt, in der 1998 die bayerischen Frauen im Zentrum standen. Damals wurden nur 30 000 Besucher gezählt, eine überschaubare Zahl, erst recht vor dem Hintergrund, dass das Frauenthema nicht unattraktiv war.

"Man merkt die Entwicklung ganz deutlich", sagt Richard Loibl, "jetzt haben wir 100 000 Besucher mehr als vor 17 Jahren." Die Gründe liegen offen auf der Hand: Zum einen werden die Ausstellungen professioneller beworben als früher, zum anderen wird darauf geachtet, dass die Themen an einem passenden Ort präsentiert werden. "Napoleon passt halt gut zu Ingolstadt", sagt Loibl. Für die populäre Aufbereitung seiner Ausstellungen wurde das Haus der Bayerischen Geschichte zwar oft gescholten, der Erfolg gibt ihm aber recht. "Diejenigen, die uns vor fünf Jahren noch belächelt haben, sind still geworden", sagt Loibl.

1998 herrschten diesbezüglich eher elitäre Vorstellungen. Das Frauenthema wurde damals zu 80 Prozent auf Klosterschwestern reduziert, so könnte man es salopp formulieren. Auch hatte man die Schau in eine abgelegene Industriehalle verlegt, ein Genius Loci war hier zu keiner Sekunde zu spüren. "Du brauchst den richtigen Ort und das richtige Thema. Dann kommt der Erfolg von alleine", von dieser Rezeptur ist Richard Loibl fest überzeugt.

Kein Wunder, dass nun immer mehr Städte auf diese touristische Attraktion spekulieren, die von Mai bis November Besucher anlockt. Bis zum Jahr 2019 sind die Termine bereits vergeben. Im kommenden Jahr wird sich in Aldersbach alles um das Thema Bier drehen, 2017 stehen in Coburg Ritter, Bauern und Lutheraner, im Mittelpunkt, 2018 geht es in Ettal um den Mythos Wald und 2019 wird der Freistaat Bayern mitsamt seiner Verfassungsgeschichte die Landesausstellung füllen.

Für die noch zu besetzende Ausstellung des Jahres 2020 liegen schon zehn Bewerbungen vor. Etwa von der Bischofsstadt Passau, die gerne das Thema Barock präsentieren würde. Darüber hinaus will Straubing eine Landesausstellung zum Thema Bajuwaren zeigen. Und auch Friedberg und Aichach wollen ihren Hut in den Ring werfen, um die Geschichte der frühen Wittelsbacher darzustellen, was naheliegend ist, da die Stammburg der Wittelsbacher vor tausend Jahren in Oberwittelsbach stand, einem Stadtteil von Aichach in Bayerisch-Schwaben. Im Andenken an diese Burg wird der betreffende Teil des Landkreises Aichach-Friedberg als Wittelsbacher Land bezeichnet.

Trotz allen Zuspruchs hat sich der Druck auf die Ausstellungsmacher in den vergangenen zehn Jahren deutlich erhöht. Tatsache ist, dass sich das museale Angebot im Kulturstaat Bayern immer mehr ausweitet und die Konkurrenz sich ständig verschärft. Das Kulturvolk kann sich praktisch die Rosinen herauspicken. "Die Besucher erwarten heute ein attraktives Tagesangebot", sagt Loibl. Kann man eine Ausstellung nicht mit einer guten Gastronomie oder mit einem schönen Stadtbummel kombinieren, dann wird es schwierig.

Darüber hinaus sind die Zeiten, in denen sich Veranstalter darauf verlassen oder wenigstens darauf hoffen konnten, dass allein die Schulen einen spürbaren Beitrag zur Besucherzahl liefern, nun vorbei. Auch in den Landesausstellungen ist die Zahl der Schulklassen massiv zurückgegangen. Zeitmangel infolge des G 8 mag da eine Rolle spielen, aber auch die Tatsache, dass Landesgeschichte im bayerischen Schulunterricht praktisch keine Rolle mehr spielt. Bei alldem darf nicht vergessen werden, dass für Hochkultur maximal drei bis fünf Prozent der Bevölkerung empfänglich sind, bei historischen Ausstellungen mögen es ein paar mehr sein. "Ohne populäre Verpackung und stimmige Inhalte hast du auf dem Unterhaltungsmarkt kaum noch Chancen", sagt Loibl.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2659306
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 23.09.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.