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Höflichkeit:Guten Abend, darf ich Ihnen die Burka abnehmen?

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In Zeiten von Garstigkeit und Barschheit im Netz sind höfliche Umgangsformen ein schützenswertes Gut. Auch wenn zu viel davon fatal sein kann.

Kolumne von Johann Osel

In digitalen Zeiten, in denen sich im Netz Garstigkeit und Barschheit ungehindert zusammenbrauen, ist die Alltagshöflichkeit ein schützenswertes Gut. Der Bayer ist da bekanntlich Meister, an der Verwendung von Höflichkeitskonjunktiven zu erkennen. "I dadad a Leberkässemmel krieg'n" beim Metzger meint ja nichts anderes als: "Ich bekäme eine Leberkässemmel, sofern Sie, werte Verkäuferin, einverstanden sind; wenn Sie aber erst noch anderweitig zu tun haben, dem Kind des vorherigen Kunden ein weiteres Radl Gelbwurst geben oder mit der Kollegin ratschen, ist das nicht tragisch."

Zu viel Höflichkeit kann gleichwohl auch fatal sein. Beispiel: Kürzlich hatte ein Jugendlicher den Notruf gewählt, weil er sich bedroht fühlte. Der Beamte wimmelte ihn ab - der Anrufer war ihm einfach zu höflich, als dass man seine Notlage glauben wollte. Die Sache ging ungut aus für alle: Der Anrufer wurde übel zusammengeschlagen, der Polizist musste sich vor dem Augsburger Amtsgericht verantworten. Weiteres Beispiel: Im Oberland erzählt man sich vom angeblichen Lapsus eines Hotellerie-Azubis, der mangelnde Erfahrung mit arabischen Touristen durch Höflichkeit kompensiert haben soll - "Guten Abend, darf ich Ihnen die Burka abnehmen?"

Um das Entledigen der Kleidung geht es auch in einem Fall von grenzenloser Höflichkeit, der sich in diesen Tagen in der Nähe von Dillingen an der Donau abspielte. Nach Polizeiangaben badete da ein 23-Jähriger in einem Baggersee, nachts und nackt - kann ja nicht schaden. Als er nach dem Schwimmen wieder zum Auto kam, war dieses ausgebrannt, hatte Feuer gefangen mitsamt Klamotten. Wo andere die nackte Panik ergreifen würde, blieb der Mann ruhig. Niemanden wollte er affrontieren, nirgends klingeln, Bürger aus dem wohlverdienten Schlaf holen, als nackter Nachtgast in Schrecken versetzen - sondern der Mann lief entblößt bis zu seinem Elternhaus, still sein Schicksal ertragend.

Welche Rücksicht, welche Höflichkeit! Eindeutig ein Anwärter für die Höflichkeitsmedaille am Bande des Bezirks Schwaben, sollte es eine solche einmal geben. Dass der Mann einräumte, seine eigene nicht ordentlich ausgedrückte Zigarette habe wohl den Brand im Wagen ausgelöst, tut da kaum etwas zur Sache.

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Quelle:
SZ vom 16.08.2017
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