Süddeutsche Zeitung

Gymnasialreform:"Mittelstufe Plus" enttäuscht Schulleiter

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Von Tina Baier, München

Wochenlang haben die Schulleiter der bayerischen Gymnasien auf Informationen zu den G-9-Klassen gewartet, die vom kommenden Schuljahr an von einigen ausgewählten Schulen erprobt werden sollen. Am Dienstag wurden zumindest die Schulleiter der niederbayerischen Gymnasien auf einer Dienstbesprechung informiert. Es war "eine riesige Enttäuschung für die anwesenden Schulleiter" heißt es in einem internen Papier des Philologenverbands, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. "Das Modell trägt eindeutig die Handschrift der CSU-Fraktionsspitze." Vor allem Fraktionschef Thomas Kreuzer gilt als Gegner des neunjährigen Gymnasiums. Die wichtigsten Punkte im Überblick.

Wie ist die Mittelstufe Plus organisiert?

Schüler der Mittelstufe Plus können den Stoff der achten, neunten und zehnten Klasse in vier Jahren lernen. Nach der neunten Klasse wird ein Zusatzjahr eingeschoben - die neue Sprachregelung lautet "Jahrgangsstufe 9+". Um die Schüler zu entlasten, sollen einzelne Nebenfächer aus der achten, neunten und zehnten Klasse in die Neun plus verschoben werden. Der Stoff in Hauptfächern wie Mathematik, Deutsch und Fremdsprachen soll gedehnt werden. "An der genauen Stundentafel arbeitet das KM noch (!)", heißt es in dem Philologen-Papier. "Die Schulleiter sollen also jetzt die Eltern informieren, ohne dass sie sagen können, wie die Stundentafel aussieht!" Das Kultusministerium arbeitet gerade eine Stundentafel aus, die dann für alle Pilotschulen einheitlich sein soll.

Gibt es Nachmittagsunterricht?

Kultusminister Ludwig Spaenle schreibt den Schulleitern vor, auch in der Mittelstufe Plus einen Tag pro Woche Nachmittagsunterricht einzuplanen. Damit wird das Projekt für viele Schulleiter auf dem Land uninteressant. Viele hatten gehofft, in den G-9-Klassen auf den Nachmittagsunterricht verzichten zu können. In vielen Regionen auf dem Land sind die Busverbindungen nämlich so schlecht, dass die Kinder Probleme haben, nach dem Nachmittagsunterricht nach Hause zu kommen. Für immer mehr Eltern ist das mittlerweile ein Grund, ihre Kinder auf der Realschule anzumelden statt auf dem Gymnasium, obwohl ihre Noten so gut sind, dass sie problemlos ein Gymnasium besuchen könnten. Die Schulleiter hatten gehofft, diese Schüler mithilfe der Mittelstufe Plus zurückzugewinnen.

Wie viele Schulen werden ausgewählt?

In kleinen Bezirken wie der Oberpfalz, Niederbayern und Oberfranken soll es jeweils vier Modellschulen geben; in den größeren wie etwa Oberbayern fünf.

Nach welchen Kriterien werden die Schulen ausgewählt?

Die Befürchtungen sind groß, dass über die Auswahl der Schulleiter, die an dem Pilotprojekt teilnehmen dürfen, sichergestellt werden soll, dass der Versuch im Sinn der CSU verläuft. Dem Philologenpapier zufolge legt Spaenle besonderen Wert auf die "Bereitschaft zur konstruktiven Mitarbeit der Schulleitung". "Das ist gegen die G-9-Befürworter unter den Schulleitern gerichtet", heißt es in dem Papier. Außerdem dürfen sich nur staatliche Gymnasien bewerben, städtische sind von vorneherein ausgeschlossen. "Unter dem Vorwand der schwierigen Verrechnung von Lehrpersonalkosten will man die städtischen Gymnasien nicht dabei haben", sagt ein betroffener Schulleiter.

"Da sie einen anderen Dienstherren haben, könnten diese Schulen ja auch sonst unbequem sein." Ein Schulleiter eines staatlichen Gymnasiums rechnet damit, dass an dem Pilotversuch überdurchschnittlich viele Schulleiter beteiligt sein werden, "die früher im Kultusministerium waren". Für eine Bewerbung muss außerdem die Zustimmung des Sachaufwandsträgers vorliegen. Außerdem müssen Lehrer, Eltern und Schüler einverstanden sein. Die Gymnasien sollen sich bei dem für sie zuständigen Ministerialbeauftragten bewerben.

Gibt es zusätzlich Geld?

Alle Schulen bekommen vier Anrechnungsstunden pro Woche für die Organisation der G-9-Klassen. Mehr gibt es nicht. Für die Schulen bedeutet das, dass sie keine zusätzlichen G-9-Klassen bilden können. Besonders für kleine Schulen könnte das zum Problem werden, da es schwierig sein dürfte genügend G-9-Schüler zusammenzubekommen. Diesen Gymnasien empfiehlt das Kultusministerium, die G-9-Schüler in einzelnen Fächern, etwa in der zweiten Fremdsprache, zusammen mit den G-8-Schülern zu unterrichten. Der Nachteil: Die Plus-Schüler müssen in diesem Fach dann genauso schnell lernen wie die Schüler des G 8. Dafür sollen sie den Stoff im 9+-Zusatzjahr dann nur noch wiederholen. "Abenteuerlich", lautet der Kommentar in dem Philologenpapier.

Wer entscheidet, welche Schüler in die Mittelstufe Plus dürfen?

Die Entscheidung fällen die Lehrer nach pädagogischen Gesichtspunkten. Die Eltern müssen einen Antrag stellen. Eine Wahlfreiheit für Eltern und Schüler besteht nicht.

Ungeklärte Fragen

Nach wie vor unklar ist, zu welchem Zeitpunkt die Schüler der Mittelstufe Plus die Mittlere Reife bekommen. An Real- und Mittelschulen wird dieser Abschluss nach zehn Schuljahren verliehen. Den Plus-Schüler möglicherweise aber erst nach elf. Geklärt werden muss auch noch die Frage, ob und wie Schüler der Mittelstufe Plus wieder ins G 8 zurückwechseln können.

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SZ vom 22.01.2015
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