Süddeutsche Zeitung

Zufriedenheit in Garmisch-Partenkirchen:Geld vom Gipfel

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Ein Jahr nach dem zweiten G-7-Treffen auf Schloss Elmau zieht die Region Bilanz. Finanziell hat sich der Trubel für viele Gemeinden gelohnt. Doch Bayerns Polizisten schieben weiterhin Millionen Überstunden vor sich her.

Von Matthias Köpf, Garmisch-Partenkirchen

Krün hat Schulden, das schon. Die Gemeinde zahle ja immer noch Kredite von 2015 ab, sagt Bürgermeister Thomas Schwarzenberger (CSU). Aber beklagen kann und will er sich deswegen wirklich nicht. Denn damals, zum ersten G-7-Gipfel auf Schloss Elmau, hat die 2000-Einwohner-Gemeinde sehr viel Geld in neue Wasserleitungen, Kanäle und Straßen gesteckt, und weitaus das meiste davon hat sie über staatliche Zuschüsse zurückbekommen. Aber auch da war es wie immer: "Jeden Zuschuss muss man sich erkaufen", sagt Schwarzenberger, und für ihren Eigenanteil hat die Gemeinde eben Kredite aufgenommen, damit ihr das große Geld aus dem G-7-Topf nicht durch die Lappen geht. Beim zweiten Elmauer Gipfel vor genau einem Jahr war es dann ähnlich. In der Region sind etliche Millionen Euro hängengeblieben, in Form von vielerlei Förderungen und von neuen Fahrzeugen für die Feuerwehren.

So haben nach Angaben des Landratsamts in Garmisch-Partenkirchen allein die Freiwilligen Feuerwehren in Krün, Mittenwald, Murnau, Ohlstadt und Wallgau nun nagelneue und bestens ausgestattete HLF20 zum Stückpreis von 350 000 Euro in ihren Garagen stehen. Die Gemeinde mussten davon nur rund ein Viertel bezahlen statt den üblichen drei Vierteln.

Zu all diesen "Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeugen" kommen noch bei dieser Feuerwehr ein Hochleistungslader und bei jener ein Versorgungs-Lkw und bei der nächsten wieder ganz andere Gerätschaften. Insgesamt belaufe sich der Wert all dieser Fahrzeuge auf 3,2 Millionen Euro, heißt es aus dem Landratsamt, das sich selber demnächst auch noch einen Pick-up für den Katastrophenschutz anschaffen darf.

HLF20 gibt es aus dem Katalog, sie sind schnell bestellt und wurden vor dem Gipfel ausnahmsweise auch schnell geliefert, zumindest in Krün. Darüber hinaus hat die Bundesregierung die Region jedoch doppelt unter Druck gesetzt mit ihrer erst Mitte Dezember 2021 verkündeten Entscheidung, den Gipfel im Juni der Einfachheit halber ein zweites Mal in Elmau stattfinden zu lassen. Denn die Gemeinden mussten nicht nur geschwind ihre Konzepte von 2015 aus der Schublade ziehen und aktualisieren, sondern auch in aller Eile Projekte identifizieren, die sie sich zur Belohnung fördern lassen konnten.

In Krün zum Beispiel haben die Umgestaltung des Kirchplatzes und die Brandschutz-Sanierung des Kurhauses noch nicht begonnen, doch die Förderung ist der Gemeinde gewiss. Und die halbe Million, die man gerade in die Pflege der 2015 ausgebauten Wasser- und Abwasserversorgung stecken konnte, hätte man ohne zweiten Gipfel auf die Gebühren schlagen müssen, sagt Bürgermeister Schwarzenberger. Landrat Anton Speer (FW) hat die Summe an staatlichem Geld, das durch den Gipfel zusätzlich in die Region geflossen ist, auf 22 Millionen Euro beziffert.

Die Hauptlast bei beiden Gipfeln trug das 28 000 Einwohner große Garmisch-Partenkirchen. Dort hatte sich Bürgermeisterin Elisabeth Koch (CSU) fest vorgenommen, beim zweiten Gipfel mehr herauszuschlagen, als dies einst ihrer Vorgängerin gelungen war. Das sei geglückt, sagt Koch, die den Mehrwert für ihre Marktgemeinde auf 12,4 Millionen Euro beziffert - "Schmerzensgeld", wie sie es nennt. Die Summe setzt sich wie in Krün hauptsächlich aus allerlei Zuschüssen zusammen. Besonders erfreut zeigt sich Koch aber über jene 3,2 Millionen Euro, über die die Gemeinde völlig frei verfügen könne, weil sie das Geld als Pacht etwa für das Kongresshaus, das Eisstadion und andere Liegenschaften eingenommen hat. Dort waren allerlei Behörden und starke Polizeikräfte untergekommen.

Denn Garmisch-Partenkirchen befand sich auch nach Ansicht der Bürgermeisterin während des Gipfels "im Belagerungszustand". Zur Hochphase von 26. bis 28. Juni haben 18 000 Polizisten das G-7-Treffen gesichert - und aus Sicht mancher Kritiker so auch berechtigten Protest regelrecht unterdrückt. Aus Sicht von Polizei und Staatsregierung hingegen blieb der Gipfel gerade deswegen praktisch frei von Störungen und Zwischenfällen. Ein knappes Drittel der vielen Polizisten kam aus anderen Bundesländern und vom Bund, doch die weitaus meisten waren bayerische Polizistinnen und Polizisten. Die schoben schon im November 2021, also vor Beginn aller Gipfel-Aktivitäten, gut 2,4 Millionen Überstunden vor sich her, rein rechnerisch rund 73 pro Kopf. Ein Jahr später waren es 98 oder insgesamt mehr als 3,8 Millionen.

Dass dieser Zuwachs um ein gutes Drittel hauptsächlich am G-7-Gipfel lag, hat Innenminister Joachim Herrmann schon im Februar mitgeteilt. Genauer aufschlüsseln lässt sich die Zahl nach aktuellen Angaben seines Ministeriums nicht mehr. Denn weil so viele Beamte zum G-7-Einsatz abgeordnet waren, hätten auch deren daheim gebliebene Kollegen Überstunden leisten müssen, um den gewöhnlichen Dienstbetrieb aufrecht zu erhalten.

In dessen Rahmen sollen die Überstunden abgebaut werden - wie genau, dazu hat das Ministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Die habe schon Vorschläge gemacht, welche aber noch abgestimmt werden müssten und so lange nicht öffentlich gemacht werden könnten, heißt es aus dem Ministerium. Es trügen aber auch Neueinstellungen zur Entlastung bei. 500 zusätzliche Stellen im Jahr 2023 brächten rund eine Million zusätzliche Arbeitsstunden pro Jahr. Die Gesamtkosten des Gipfels für den Freistaat hat Minister Herrmann auf 145 Millionen Euro beziffert. Der Bund hat davon nach längeren Verhandlungen mit dem Freistaat und zu dessen erklärter Zufriedenheit pauschal 80 Millionen Euro übernommen.

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