Süddeutsche Zeitung

G-7-Gipfel in Elmau:Polizisten, die auf Bäume starren

Lesezeit: 4 min

Tausende bewachen die Sicherheitszone um Schloss Elmau: 16 Kilometer lang, sieben Kilometer Zaun, neun Kilometer Felsen. Willkommen bei den Polizisten, die nach Ansicht ihrer Chefs "einen Knochenjob" leisten.

Eine Reportage von Heiner Effern, Elmau

Die Sonne bringt die Felsen hinter Schloss Elmau mit ihrem warmen Abendlicht zum Leuchten. Man könnte nun die magische Ausstrahlung dieses Ortes genießen, wie es in Kürze Angela Merkel und Barack Obama tun werden. Doch das Auto braust weiter, stoppen ist drei Tage vor dem Gipfel strengstens verboten. Das zweistöckige Pressezentrum fliegt am Fenster vorbei, das alte Hotel mit dem Turm, die Zufahrt zum neuen Retreat, in dem Merkels Gäste wohnen sollen. Unter einem Sonnenschirm stehen dort drei streng blickende Männer. Sicherheitszone eins, hier herrscht seit 30. Mai uneingeschränkt das Bundeskriminalamt.

Wer reinfahren darf, wurde schon im Vorfeld strengstens überprüft. Oder unten am Mauthäuschen an der Zufahrtsstraße, in dem jetzt statt des üblichen Gemeindearbeiters BKA-Beamte stehen. Mit Diensthund. In einem grauen Container geht es durch den Scanner wie am Flughafen. Ein Metallknopf an der Hosentasche löst Alarm aus, der BKA-Mann arbeitet mit der Handsonde nach. Alles in Ordnung, die Durchfahrt auf dem Rücksitz eines Polizeifahrzeugs wird mit einem Sonderausweis erlaubt. Diesen müsse man aber bitte nach der Rückkehr sofort wieder abgeben.

Tausende Polizisten werden den Sicherheitsbereich sichern

Ziel der Fahrt ist der Hubschrauberlandeplatz hinter Schloss Elmau. Auf dem schwarzen Asphalt werden Barack Obama und die anderen Staatschefs landen, wenn das Wetter mitspielt. Jetzt parken darauf noch die blau-weißen Busse der Bereitschaftspolizei. Gleich dahinter beginnt ein drei Meter hoher Steinschlagzaun, der allerdings nicht herabstürzende Felsbrocken bremsen soll, sondern Angreifer aller Art. Attentäter natürlich, wahrscheinlicher aber Demonstranten, die zum Hotel vordringen und das G-7-Treffen stören wollen.

Doch der Zaun alleine wird das nicht verhindern. Viel eher schon die Bereitschaftspolizisten, die alle zwanzig oder fünfzig Meter hinter ihm stehen und durch den Maschendraht in den Wald blicken. An den Gipfeltagen selbst werden es Tausende sein, die den Sicherheitsbereich zwei nach außen sichern. 16 Kilometer lang, sieben Kilometer Zaun, neun Kilometer Felsen und Schluchten. Willkommen bei den Polizisten, die nach Ansicht all ihrer Chefs "einen Knochenjob" leisten.

Jammern will von den Dachauer Polizisten niemand

Zum Beispiel die hundert Bereitschaftspolizisten aus Dachau, die den Zaun hinter dem Hubschrauberlandeplatz sichern. Sie stehen den ganzen Tag in der Sonne, blicken auf Bäume, hinter denen sich nichts bewegt. Das einzige, was Staub aufwirbelt, ist die Forststraße, an der der etwa sieben Kilometer lange Zaun größtenteils verläuft. "Schwarz ist die hier nicht mehr", sagt einer, und versucht den Grauschleier von seiner Uniform zu klopfen. Vergebens. Der härteste Feind bisher? "Die Mücken", sagt er. "Da unten steht Wasser." Autan sei heiß begehrt, auch Sonnencreme. Doch jammern will von den Dachauern keiner. "Wir haben immerhin die Tagschicht."

Die endet gegen 20 Uhr, ein Konvoi von Polizeibussen fährt in die Forststraße, an der sie die Postenkette bilden. Es kommen Kollegen aus Duisburg, die während der Nacht den Zaun schützen sollen. Keine Einheit darf mit ihren eigenen Bussen durch die Sicherheitszone eins fahren, Shuttlebusse befördern die Polizisten. Das kostet Zeit. Die Duisburger erzählen, dass sie zwei Stunden vor Schichtbeginn los müssen, weil sie während des Gipfels in der Nähe von Starnberg wohnen. Während die Dachauer dem Feierabend entgegenfahren, verteilen sie sich am Zaun. Zwei bilden ein Team, das nächste ist immer in Sichtweite. Zwei junge Männer haben einen Premiumplatz, sitzen an einem Baumstamm und blicken in eine Schlucht unter ihnen. Noch sitzen sie im T-Shirt da. "Wir haben aber warme Pullover und unsere Jacken für die Nacht", sagt einer. Licht kommt nur von den Sternen und den Lampen, die alle paar Meter aufgestellt sind und zumindest die Motten schonen sollen. Nach außen hin nehmen sie den Einsatz gelassen.

"Irgendwann kennt man jeden Baum hier"

Wie auch die Kollegen aus Niedersachsen, die an einem anderen Zaunbereich Wache schieben. Sie haben sich eingerichtet auf ihrem Stück Forststraße. Die Weitsichtigen haben einen Camping-Klappstuhl dabei, man sieht als Alternativen auch weiße Plastik-Gartenstühle oder Bierbänke. "Irgendwann kennt man jeden Baum hier", sagt eine junge Polizistin. Für den Toilettengang nutzt man alte Bekannte natürlich nicht. Eine Kette von Toilettencontainern ist am Zaun aufgestellt.

Für Pausen gibt es Verpflegungszelte, an diesem Abend stehen an der Bierzeltgarnitur der Niedersachsen Nudeln im Styroporbecher auf dem Speiseplan. Zwei Kollegen fahren derweil mit einem Bus an die anderen Kollegen Getränke aus. Sie haben sich Oktoberfest-Hüte aus Filz aufgesetzt, doch ein kühles Bier bleibt hier ein unerfüllter Traum. Was aber erlaubt ist, sind Bücher. Wenn ein Kollege Bäume anstarrt, darf der andere lesen. Doch außer einem verirrten Wanderer ist auch hier sonst nichts zu sehen.

Grenzschützer haben zwei Quartiere bezogen

Dass von der österreichischen Seite schon keine ungebetenen Zaungäste herüberkommen, dafür sorgt wiederum die Bundespolizei. Auch im Gebirge. Dafür haben die Grenzschützer zwei Quartiere bezogen: die im hochalpinen Gelände gelegene Meilerhütte auf 2374 Metern, von der man direkt auf Schloss Elmau blicken kann, und am Berggasthaus Ederkanzel auf 1208 Metern. Dort ist Abschnittschef Thomas Lobensteiner mit seinen Bergführern eingesetzt, die Streifen an der Grenze entlang organisieren. Bis zu fünf Stunden sind sie auf einer Schleife unterwegs, absolvieren dabei 600 bis 700 Höhenmeter.

Bis auf viele Wanderer, die sich hier frei bewegen dürfen, habe man allerdings niemanden angetroffen, sagt Lobensteiner am Mittwochnachmittag vor dem Ederkaser. Seine Männer, das weiß er, werden von manchen Polizisten unten auch mal als Urlaubseinheit verspottet. Dabei hätten seine Kollegen oben auf der Meilerhütte nach ihrer Auskunft zuerst einmal Tage lang Schnee schaufeln müssen, erzählt er. Noch immer lägen 20 bis 50 Zentimeter. Doch Lobensteiner weiß auch, dass die Bundespolizisten zumindest einen grandiosen Vorteil im Gegensatz zu den Maschendraht-Schützern haben. "Der Ausblick hier oben", sagt er, "der ist Klasse."

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Quelle:
SZ vom 06.06.2015
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