Süddeutsche Zeitung

Finanzhaushalt Bayern:Milliardenloch und neue Schulden

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Schwarz-Gelb blickt im Freistaat der Realität ins Auge: Ab 2011 fehlen der Haushaltskasse mehr als drei Milliarden Euro. Das geht nur mit neuen Schulden.

Kassian Stroh

Vor dem Freistaat liegen finanziell desaströse Zeiten. Für die Jahre 2011 bis 2013 rechnet das Finanzministerium mit einem strukturellen Defizit von insgesamt 8,2 Milliarden Euro. Das geht aus der aktuellen Finanzplanung hervor, die der Süddeutschen Zeitung in Auszügen vorliegt.

Demnach beträgt die Lücke zwischen geplanten Ausgaben und prognostizierten Einnahmen im Jahr 2011 etwa 3,4 Milliarden Euro und in den beiden darauffolgenden Jahren 2,6 und 2,2 Milliarden Euro. Angesichts dieser Zahlen bereitet die schwarz-gelbe Koalition die Bevölkerung langsam darauf vor, dass die Null-Schulden-Politik bald ein Ende haben wird.

"Durch gezielte Impulse" müsse das Wirtschaftswachstum belebt werden, zugleich müsse man sparen, schreibt Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) in seinem Papier. "Verbleibende Lücken müssen durch Kreditaufnahmen geschlossen werden."

Auch der CSU-Haushaltspolitiker Georg Winter rechnet damit, dass der Freistaat 2011 wieder Schulden machen muss. "Drei Milliarden einzusparen ist sicher nur schwer leistbar", sagt er. Ein Sprecher des Finanzministeriums hingegen verweist auf die Unsicherheit der Prognose: Erst im Mai habe man mit der Steuerschätzung eine "gesicherte Grundlage".

FDP und CSU sind sich uneins

In der Koalition gibt es offenbar Differenzen darüber, wie offensiv man die Abkehr von der Politik der schwarzen Null angehen soll. Der FDP-Haushaltspolitker Karsten Klein mahnt: "Man muss früh genug mit der Bevölkerung darüber reden." Ein Kurswechsel dürfe nicht ähnlich abrupt wie 2003 erfolgen.

Damals hatte die CSU-Alleinregierung nach der Landtagswahl plötzlich einen radikalen Sparkurs eingeschlagen, um ihr Ziel, von 2006 an ohne neue Schulden auszukommen, zu erreichen - ein Markenzeichen der bisherigen CSU-Politik. Dieses Ziel ist bislang eingehalten worden; auch 2010 will Fahrenschon trotz der Steuerausfälle infolge der Wirtschaftskrise ohne neue Kredite auskommen; dafür löst er alle verbliebenen Rücklagen auf.

Zugleich stehen der schwarz-gelben Koalition ernste Konflikte ins Haus, wie strikt man von 2011 an sparen soll. FDP-Fraktionschef Thomas Hacker hatte am Donnerstag im SZ-Interview betont, wichtiger als die schwarze Null sei, "notwendige Investitionen durchzuführen". Auch Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) sagt, ein "Kaputtsparen" von Zukunftsinvestitionen in Bildung, Infrastruktur, Forschung und Technologie werde es mit der FDP nicht geben.

Die CSU hält sich diesbezüglich noch bedeckt. In beiden Fraktionen aber mahnen vor allem die Haushaltspolitiker zu Sparsamkeit. "Das ist ein Drahtseilakt und wird sehr spannend", sagt Klein mit Blick auf die Wünsche seiner Parteifreunde.

Ohne Kredite geht es nicht

Die Vertreter der Opposition fordern seit Monaten, die Regierung möge endlich eingestehen, dass neue Schulden nötig werden. "Es wird nichts anderes übrigbleiben", sagt beispielsweise Thomas Mütze (Grüne). Gleichwohl ist bereits seit einem Jahr schwarz auf weiß nachzulesen, dass neue Schulden kommen werden. Im Finanzplan der Regierung klaffte schon damals für die Jahre 2011 und 2012 eine Lücke von jeweils einer Milliarde Euro - die sich durch die Steuerausfälle nun deutlich vergrößern wird. Und schon damals schrieb Fahrenschon, er werde 2011 knapp eine Milliarde Euro Schulden machen müssen, 2012 etwa 130 Millionen.

Gezahlt werden sollen davon zum einen Zinsen für jenen Zehn-Milliarden-Euro-Kredit, den Bayern aufnahm, um die Landesbank vor der Pleite zu bewahren. Zum anderen will Fahrenschon damit Verluste aus riskanten Wertpapiergeschäften der BayernLB ausgleichen, für die der Freistaat eine Garantie übernommen hat. Deshalb will er die dafür nötigen neuen Schulden in einem als Nebenhaushalt eigens ausgewiesenen Posten verbuchen, über den alle Zahlungen an die BayernLB abgewickelt werden. Doch angesichts des Finanzlochs von acht Milliarden Euro wird er, auch um den regulären Haushalt ausgleichen zu können, Schulden machen müssen.

Sollte sich die Wirtschaft besser als bislang erwartet entwickeln, könnte das Loch im Etat wieder etwas schrumpfen, glauben Klein und Winter. Doch reichen werde das nicht. "Die Summe ist auf jeden Fall so groß, dass wir sie mit Wirtschaftswachstum nicht auffangen können", sagt Klein.

Die Wirtschaft zu beleben, ist eigentlich das Ziel der von den schwarz-gelben Koalitionen in München und Berlin so vehement vorangetriebenen Steuersenkungen. Doch diese werden erst einmal große Löcher in die Staatskasse reichen, bevor ein Aufschwung sich auch bei den Staatseinnahmen bemerkbar mache, räumt Klein ein.

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SZ vom 18.12.2009/rasa
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