Süddeutsche Zeitung

Feldkirchen:Latz ab

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Der Jagdverband präsentiert seine Kulturgeschichte online

Von Rudolf Neumaier

Seine Internet-Plattform BJVdigital hat der Bayerische Jagdverband für eine Landplage angelegt. Für Wildsäue. Landwirte, Waldbauern und Revierpächter sollen in dem Forum eintragen, wann sie wo ein Schwein gesichtet haben oder gleich eine ganze Rotte. Dann wissen die Jäger, wo sich ein Ansitz lohnen könnte, um dem Schwarzwild Einhalt zu gebieten, das Wäldern und Feldern immer saumäßiger zusetzt. Jetzt haben sie sich beim Jagdverband gedacht, was die Saujagd weiterbringt, das bringt auch die Kultur weiter. BJVdigital präsentiert seit einigen Tagen neben seinem Schweineregister den "Jagdkulturatlas Bayern". Über den gleichnamigen Button gelangt man auf der Seite www.bjvdigital.de direkt hinauf aufs weite Feld der Jagdkultur.

Die Jagd steht in Bayern nicht nur wegen ihrer Dienste für Wald und Wild unter gesetzlicher Obhut: Der Staat schütze "die Jagd als Kulturgut", heißt es im Bayerischen Jagdgesetz. Die Jäger selbst untermauern diesen Anspruch nun mit ihrem digitalen Engagement und definieren ihren Kulturatlas als "weiteren jagdlichen Anwendungsbereich". Bauwerke und archäologische Stätten, die mit dem Jagen zusammenhängen, sind auf der Landkarte ebenso verzeichnet wie Flurdenkmäler, Museen und geschichtsträchtige Orte. Darunter fällt zum Beispiel die Röthelklamm im Karwendel bei Vorderriß. Dort fiel einst der Jäger Donatus den Wilderern Wastl und Lexen Kaspar in die Hände und musste um sein Leben bangen. Die Schurken fesselten ihn an eine Tanne und berieten, was sie mit ihm anstellen würden: entweder steinigen oder den Kopf in einen Ameisenhaufen stecken. Am Ende schnitten sie ihm die Latzknöpfe seiner Lederhose und den Latz selbst ab und ließen ihn laufen.

Die Jagd bietet viele spektakuläre Geschichten und oft spielen Wilderer die Hauptrolle. Der Jagdkulturatlas ehrt diese Männer posthum, was wiederum für die Großmut der bayerischen Jäger spricht. Alle Waidkulturmenschen hat der Verband nun aufgerufen, ihm weitere Orte mit ihren Geschichten zu melden, damit Farbe in den Online-Atlas kommt. Selbstverständlich sind auch Beiträge ohne Wilderer-Romantik gefragt. In der tschechischen Nachbarschaft etwa ist der Ort verzeichnet, an dem kaiserliche Jagdhunde bei einer Hirschhatz im 14. Jahrhundert in eine 72 Grad heiße Salzquelle plumpsten. Kaiser Karl IV. gab dem Ort einen Namen: Karlsbad.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2018
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