Süddeutsche Zeitung

Feiertage:Auszeit vom Dauer-Vergnügen

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Bayerns striktes Tanzverbot am Karfreitag muss man nicht richtig finden - und ebenso wenig das Urteil, das dieses nun lockert. Dabei gibt es gute Gründe für ein paar "stille Tage" im Jahr.

Von Wolfgang Janisch

Vom Advent aus betrachtet ist der Karfreitag weit entfernt. Davor kommt ein politisch wie meteorologisch ungewisser Winter. Und eine Vorweihnachtszeit, von der man weiß, was sie bringen wird, nämlich dröhnenden Kommerz, wie immer. Man freut sich also jetzt schon auf die stillen Tage von Heiligabend an. Nur ist nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts gar nicht mehr so ganz sicher, wie still sie wirklich sein werden. Das Gericht hat das Tanzverbot gelockert, das in Bayern am Karfreitag gilt, aber auch an anderen "stillen Tagen" wie Allerheiligen, Volkstrauertag, Totensonntag. Und eben, wenigstens in Bayern, an Heiligabend von 14 Uhr an. In den anderen Bundesländern gelten ähnliche, oft weniger weitreichende Gesetze - aber Karfreitag ist der stillste Tag. Keine Feiern, kein Musiklärm, keine Sportevents. Nur heilige Ruhe.

Dagegen ist ein "Bund für Geistesfreiheit" zu Felde gezogen, und zwar mit einer sehr unheiligen Veranstaltung. Unter dem Motto "Heidenspaß statt Höllenqual" wollte der Verband der Konfessionslosen am Karfreitag 2007 in München eine große Sause mit "Freigeister-Tanz" abhalten, für 7,50 Euro Eintritt inklusive Schokobuffet. Spielen sollte - Achtung: Provokation - die Rockband Heilig.

Natürlich wurde die Sache verboten. Nun aber, neun Jahre später, sagt Karlsruhe: Die Feier hätte erlaubt werden müssen - weil hinter der bizarren Belustigung eine ernst gemeinte Botschaft steckte. Der Verband, der für die strikte Trennung von Kirche und Staat eintritt, wollte gegen die Privilegien der Kirchen protestieren - besonders gegen den christlich geprägten Vergnügungsbann am Karfreitag. Das muss man nicht richtig finden, aber - so das Gericht - solche Kritik gehört nun mal zur Weltanschauungsfreiheit: Der Tanz der Freigeister war eine Unterart der politischen Demonstration.

Ein hohes Lied auf den Schutz der Feiertage

Müssen die Christen nun an ihren "stillen Tagen" mit kirchenkritischem Protestlärm rechnen, vielleicht gleich zu Weihnachten? Höllenqual durch Heidenspaß, wenn man so will? So weit wird es nicht kommen. Denn im Grunde hat das Gericht das hohe Lied auf den Schutz der Feiertage gesungen. Sie bleiben auch im säkularisierten Staat als Tage der Arbeitsruhe und der "seelischen Erhebung" geschützt, vor allem aus gesellschaftlichen Gründen - zur "synchronen Taktung des sozialen Lebens". Auch darf an bestimmten Tagen Stille verordnet werden. Politisch geprägte Veranstaltungen wird man fortan ausnahmsweise genehmigen müssen - aber ein Türschild "Anti-Karfreitagstanz"an der Disco wird nicht reichen. Außerdem können die Behörden die Stille mit Auflagen durchsetzen; einen lärmenden Protesttanz auf dem Kirchplatz, wie ihn die Piratenpartei einst in Gießen abhalten wollte, dürfen sie wohl verbieten.

Übrigens haben einige Länder den Schutz der "stillen Tage" inzwischen selbst zurückgefahren, sogar im einst so strengen Baden-Württemberg. Unter dem Katholiken Winfried Kretschmann fiel 2015 das weihnachtliche Tanzverbot. Bei einem Zufallstelefonat mit einer kleinen Kraft im großen Stuttgarter Regierungsapparat bekam man dazu ungefragt folgenden Kommentar zu hören: "Ich persönlich hab' mich aufg'regt. Mer kann doch emol zwei Tag' net zapple gange."

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SZ vom 01.12.2016
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