Süddeutsche Zeitung

Fasching in Veitshöchheim:Ein letztes Mal im Übertragungswagen

Lesezeit: 3 min

Thomas Meissner hat 20 Jahre lang bei der Frankenfastnacht Regie geführt - nun hört er auf.

Von Uwe Ritzer

Einmal geriet er gehörig ins Schwitzen, ein einziges Mal nur hatte er das Gefühl, dass es Spitz auf Knopf steht. Dass eine gerade von Millionen Menschen verfolgte Livesendung abgebrochen werden muss.

Eine von weit über 1000, bei denen er Zeit seines Berufslebens für alle möglichen TV-Sender Regie geführt hat. 2005 war das, bei der Fastnacht in Franken. Seinerzeit erlitt der damalige Sitzungspräsident Detlef Wagenthaler mitten in der Livesendung einen gesundheitlichen Zusammenbruch.

"Es war das einzige Mal, dass ich während der laufenden Sendung den Übertragungswagen verlassen habe, um hinter den Kulissen zu schauen, was los ist", erzählt Thomas Meissner. Dann aber sei der fränkische Fastnachtspräsident Bernhard Schlereth von jetzt auf gleich eingesprungen und habe die Show "mit Bravour zu Ende geführt".

Regie bei der BR-Sternstundengala

Es ist die Sendung aus Veitshöchheim, von der Meissner sagt, sie sei ihm von allen am stärksten in Erinnerung geblieben. 20 Mal führte der in Würzburg geborene Wahl-Münchner bei der Karnevalsshow Regie. Am Freitag sitzt er zum letzten Mal im Übertragungswagen hinter den Mainfrankensälen. Als Berater seines Nachfolgers Frank Jessenberger, "um einen reibungslosen Übergang mit zu gestalten", wie Meissner sagt.

Ob Wehmut dabei aufkommt. "Schon ein bisschen." Andererseits: "Mir geht die Arbeit nicht aus." Meissner ist Fotograf und bildender Künstler; "ich habe Malerei studiert und stelle seit vielen Jahren im In- und Ausland meine Bilder aus. Langweilig wird mir daher sicher nicht."

Vor allem Koch-,- und Unterhaltungsshows hat Thomas Meissner für den BR inszeniert, mit einer "Pelzig unterhält sich"-Sendung war er für den renommierten Grimme-Preis nominiert. Mit der Redaktion der WDR-Mitternachtsspitzen gehörte er einmal auch zu den Preisträgern. Jahrelang führte er auch bei der BR-Sternstunden-Gala Regie.

Wie leicht oder schwer ist es aber Fastnachtshumor zu inszenieren, an dem sich prinzipiell die Geister scheiden? "Das wichtigste ist auch da, sich auf den jeweiligen Künstler einzulassen", sagt Meissner. "Peter Kuhn zum Beispiel ist einer der intellektuellsten Büttenredner überhaupt.

Damit sein brillanter Vortrag beim Fernsehpublikum wirkt, darf man nicht ständig hektisch hin- und her schneiden. Man muss die Kamera ruhig auf ihm lassen, wenn er seine Pointen entwickelt, nur dann kommen sie am Bildschirm auch richtig zur Geltung.

Bei anderen Künstlern ist das ähnlich. Bei Tänzen kann man hingegen schneller die Perspektiven wechseln." In den 20 Jahren, in denen er die fränkische Narretei ins Szene setzte, hat sich die Sendung enorm verändert - nicht nur, weil die Einschaltquoten sich vervielfacht haben.

"Am Anfang hatten wir noch sehr lange Einzelbeiträge, teilweise mehr als eine halbe Stunde", erzählt Meissner. "Dadurch ist die Dramaturgie flotter geworden. Das ist sehr wichtig, denn dreieinhalb Stunden Livesendung sind eine Menge Holz.

Politiker gehören zur Show

"Ein großer Unterschied ist auch, dass anfangs fast nur Laien auf der Bühne standen. "Einige sind inzwischen Fernsehprofis geworden, wie Volker Heißmann und Martin Rassau", sagt Meissner. "Der Anteil der fernsehunerfahrenen Künstler ist heute weitaus niedriger. Umso besser kann man sich als Regisseur um die Neulinge kümmern, ihnen die Angst vor der Kamera nehmen und sie führen."

Die Narretei erzielt ihre Wirkung nicht nur mit dem Geschehen auf der Bühne, sondern auch damit, dass im Saal viele kostümierte Politiker sitzen. Markus Söder als Mahatma Gandhi, Günther Beckstein während seiner Zeit als Ministerpräsident als Bavaria - solche Fotos bescheren Veitshöchheim bundesweite Aufmerksamkeit.

Sind Politiker die besseren, die geborenen Narren? Wie wichtig sind sie für den Erfolg der Fastnacht in Franken? "Man sollte sie nicht überschätzen, aber sie sind schon auch Teil der Show", sagt Meissner. "Der Sendung tut es natürlich gut, wenn die Objekte der spöttelnden Künstler gezeigt werden können." Gleichwohl gebe es große Unterschiede. "Manche kommen und kostümieren sich nur, weil sie bei uns vier Millionen Menschen sehen. Für die ist das eine PR-Nummer.

Andere haben, wie Beckstein, tatsächlich riesigen Spaß und amüsieren sich auch, wenn sie gerade keine Kamera einfängt. Das gilt auch für Horst Seehofer, auch wenn er sich nicht verkleidet."

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SZ vom 27.01.2016 / urit
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